Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Breakfast at Mary’s…
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Über tief eingegrabene Rinnen, die zum Wasserabfluss dienen, und ein paar Ecken gelangte ich zur Zwillingskirche „Bet Golgotha“ und „Bet Mikael“, die sich auf einer erhöhten Plattform befanden, das heißt, wenn man außen herum spaziert, geht man quasi unter dem Gotteshaus vorbei.
Als ich die Michaelskirche betrat, dachte ich mir erst nichts dabei, nachdem ich die ersten beiden schon für eindrucksvoll befunden hatte. Doch eine jener massiven Holztüren mit ihren dicken Eisenbeschlägen, die aussahen, als seien sie noch vor der Sintflut gefertigt worden, führte weiter in die Golgotha-Kapelle, die leider nur Männer betreten dürfen.
Da drinnen starrten mir unversehens und unverwandt drei mannsgroße Exemplare der zwölf Apostel entgegen, wunderschön und kunstvoll in die Felsenwand gearbeitet! Die übrigen Neun hatten Minas Morgul verlassen. – Stopp, falsche Geschichte.
Die übrigen blieben unzugänglich und hinter Vorhängen verborgen, wie auch zahlreiche Kirchenschätze, Gräber und Krypten im Untergrund; unseren Kathedralen in Europa nicht unähnlich.
Um diese Hauptkirchen kuschelten sich weitere, grottenartige Kapellen, die eher wie natürliche Höhlen anmuteten als wie von Menschenhand erschaffene Gebäude, sowie die bereits erwähnten Wandnischen für Eremiten und Tagediebe.
Zudem gab es da tief eingegrabene Felsengräber, die mich weit in der Zeit zurück katapultierten zu den anderweltlichen Gebeinsansammlungen im verrückten Tana Toraja auf der indonesischen Insel Sulawesi.
Vor dem Ausgang erwartete mich zuletzt das symbolische Grab Adams, ein massiv aussehender, doch ausgehöhlter Felsblock, der wie ein Torwächter seine ewige Wacht verrichtet vor jenem entrückenden Felsenlabyrinth.
So, jetzt aber nix wie runter zum seligen Georg, ich konnte es kaum erwarten, noch ein, zwei Biegungen- „Hellooo, Ticket?“ …Grmpf, vor jeder Kirche starrten die so lange auf den Wisch, dass ich den Eindruck hatte, sie müssten eine alte sumerische Schriftrolle entziffern.
Ist der Stempel auch echt? Hmm, ich hätte mir ja einen schnitzen können, wer weiß. Sobald sie sich aber von der Echtheit des sakralen Dokuments überzeugt hatten, zauberte sich ganz wundersam ein strahlendes Lächeln in ihr Gesicht, und plötzlich war ich ihr bester Freund.
Aber jetzt! Jaa, da stand sie endlich: „Bet Giyorgis“, das 15 Meter hohe Meisterwerk und Wahrzeichen von Lalibela in Form eines riesenhaften, gleichseitigen Kreuzes und zudem perfekt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet.
An seiner Spitze von leuchtend gelbem Moos bewachsen, schien das Bauwerk jedoch so gut erhalten, dass die UNESCO, den Göttern und sieben Himmeln sei Dank!, in ihrer endlosen Weisheit entschieden hatte, dort keinen Meteoritenschutzwall zu errichten. Das Dach mit seinen berühmten Regenrinnen reckte sich aus der Tiefe in den klaren Himmel und schloss doch bündig mit der Erdoberfläche ab.
Am Nachmittag verwandelte sich das Firmament aber in eine grauschwarze Gewitterfront, und Blitze zuckten über die aufquellende Wolkendecke, gefolgt von fernem Donner und bleiernen Regenschlieren, die von orkanartigen Windböen über das Land gepeitscht wurden.
Derart ominös und bedrohlich hatte sich Äthiopien mir bis dahin noch nicht präsentiert.
Leider war der Niederschlag zu weit weg, sonst hätte ich vielleicht sogar erleben können, wie die Vertiefungen im Dach der Kirche sich mit Wasser füllen, um dann über die seitlichen Speier wie zarte Wasserfälle nach unten zu prasseln.
Naja, man kann nicht alles haben im Leben, aber erzähl das mal Lobelia.
Aus diesem Grunde jedoch waren die untersten Fenster zugemauert, da es zuzeiten durchaus sein kann, dass der Wasserspiegel in der künstlichen Grube schneller steigt, als dass es abfließen kann.
Die ausgeklügelte Be- und Entwässerung der Kirchen sowie die Weiterleitung des Lebensspenders zu den umliegenden Feldern ist wiederum ein Kapitel und eine Wissenschaft für sich, die an dieser Stelle um Meilen zu weit führen würde. Aber es lohnt sicher, da mal nachzuforschen. – Vielleicht morgen.
Eben solche Kanäle führten mich schließlich auf den schattigen Talboden des fantastischen Bauwerks, wo mich ein ähnlicher Anblick erwartete mit Wandnischen sowie einem kleinen Papyrusteich mit heiligem Wasser. Eines der Felsengräber enthielt sogar die Gebeine eines Pilgers, der dort anscheinend begraben wurde.
Von da unten sah die Kirche noch beeindruckender aus, wie sie sich stolz und unbeugsam in die Höhe reckte. Ihr Inneres erschien dagegen spartanisch und beinahe langweilig, so dass ich mich schnell wieder nach draußen begab, die Sonne stand eh schon schief.
Gutgutgut. Kurze Pause? Weil, irgendwann muss der To ja auch mal schlafen.
Wo, und was sich indessen sonst noch ereignete, das erzähle ich Euch das nächste Mal.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht