Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Feuchte Hälse…
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Mea culpa, ein neuer Tag, eine neue Sonne.
Im Café „La Parisienne“, braucht Ihr Euch nicht merken, ist ’ne bekackte Kette gegenüber von meiner Pension, verzehrte ich mein erstes europäisches Frühstück seit Wochen: ein Schokocroissant, Waffeln mit (eher kanadisch anmutendem) Ahornsirup und mmmh… Makiyatooo.
Endsgeil, ein Breakfast for Sugaflakes, während unser sich räkelnder Stern fröhlich durch das Blätterdach auf der Terrasse funzelte.
Sodann loungete ich bis zum Check-Out auf dem Sofa an der Rezeption herum und durchforstete Bilder, tippselte fleißig und wartete dabei auf meine allerletzte Kaffeezeremonie, ohne es zu wissen.
Die ineinander verwobenen und sich gegenseitig durchdringenden Kreise meiner gegenwärtigen Reise begannen sich langsam zu schließen, einer nach dem anderen, unscheinbar und auf leisen Pfoten.
Noch letztes Mal also durfte ich einer überaus andächtigen Form des Kaffeekochens beiwohnen: Das verschämt dreinblickende Mädchen wusch die grünen Bohnen in beinahe religiöser Versenkung, so dass mir ganz ungeduldig wurde. Ganz ungläubig schaute sie auf und setzte ein scheues und verwirrtes Lächeln auf, als sie gewahr wurde, dass ich ein paar Fetzen Amharina sprach.
Alsdann röstete sie die Guten unter zärtlichem Rühren auf dem Feuer der Holzkohle, damit die Bohnen allesamt gleichmäßig durchbrieten. Wie Aschenputtel stibitzte sie ein paar Sturhälse heraus, die noch immer grün vor Neid im Meer ihrer gebräunten und köstlich duftenden Brüder und Schwestern schwammen.
In Wirklichkeit waren das die Smarten, denn der Rest wanderte ab in den Mörser und wurde von den schweren Hammerschlägen der Eisenstange beharrlich zerrieben, die sie derart langsam auf und nieder gleiten ließ, dass dies fast schon den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen schien.
Das mit kurzen Pausen der Einkehr durchsetzte, gleichmäßige Stampfen erschien mir wie der dumpfe, ferne und doch bedrohlich immanente Herzschlag von Mutter Erde und hallte ominös in meinen Eingeweiden nach.
Schließlich gab sie das feingemahlene Pulver in eine der üblichen Kannen, deren Farbe sich streng nach ihrem Inhalt richtete, fügte Wasser hinzu und ließ Äthiopiens Schwarzes Gold sachte aufkochen, bevor sie es uns vornehm servierte auf –
einem Silbertablett.
Das war so schön, dass ich nach dem Mittagessen gleich noch einen trinken musste.
Alldieweil näherte sich auch schon der zweite Kreis seinem Ziele, als ich mich zum Khul Center begab, um Happy zu treffen. Auf seiner Couch sollte ich nicht nur die ersten, sondern auch meine letzten Nächte in diesem Land verbringen.
Dieses war wie auch er selbst erst vor kurzem umgezogen, so dass ich mich im beschaulichen Garten des „Frank Addis“ Hotels wiederfand, quasi um die Ecke von der alten Location.
Während ich auf die Meditationsrunde wartete und schrieb, ging endlich der erste ausgewachsene und richtige Wolkenbruch über der Stadt nieder, der überdies den ganzen Nachmittag und Abend andauerte und sich anschickte, das Dach der gemütlichen Sofalaube, in der ich saß, einzudrücken und die Stadt nach der langen Dürre zu ertränken:
„It was one of these regular summer storms. It would get so dark that it looked all blue-black outside, and lovely; and the rain would thrash along by so thick that the trees off a little ways looked dim and spider-webby; and here would come a blast of wind that would bend the trees down and turn up the pale underside of the leaves; and then a perfect ripper of a gust would follow along and set the branches to tossing their arms as if they was just wild; and next, when it was just about the bluest and blackest -fst! It was as bright as glory and you’d have a little glimpse of tree-tops a-plunging about, away off yonder in the storm, hundreds of yards further than you could see before; dark as sin again in a second, and now you’d hear the thunder let go with an awful crash and then go rumbling, grumbling, tumbling down the sky towards the under side of the world, like rolling empty barrels down stairs, (…)“
(M. Twain, „The Adventures of Huckleberry Finn“)
Trotz und in diesem Chaos der Welt tauchte ich glückselig ein in Happys lichtvolles Energiefeld und blickte aus meiner Ecke des Sitzkreises in ein paar bereits bekannte Gesichter, während wir für die kommenden zwei Stunden die Welt ein klein wenig heller machten.
Auch sein guter Freund Carlo war zugegen, seine sanfte und tiefe Stimme strich wie das honiggetränkte Brummen eines Braunbären durch den Raum.
Er begleitete uns anschließend auch in Happys neue Bude, nur einen Wohnblock weiter in seiner gewohnten Nachbarschaft von Gotera, die jedoch um einiges geräumiger war als die alte.
Wir aßen zusammen zu Abend und teleportierten uns im Verlauf geistvoller Gespräche gegenseitig von verschiedenen Ebenen der Bewusstseinsentwicklung hin zu Elon Musks neuestem Modell seiner Transportrakete – bis uns am Ende die Äuglein immer schwerer wurden und klebrig nach unten sackten.
An meinem vorletzten Tag gesellte sich eine Couchsurferin aus Polen zu uns zum Frühstück, die wir im Verlauf einer kleinen Lehrstunde in „Surviving Ethiopia – Basic Weaponry“ unterzogen, bevor ich den restlichen Tag bis zum Yoga am Abend ausgiebig vertändelte.
Doch mitten in meinem Dahintreiben kam schon der dritte Kreisel herangesegelt mit wild rudernden Armen! – Selbstverständlich, gar keine Frage, das war der gute Elvis, mein redseliger Kompagnon aus Awassa, der mir oftmals vorkam wie eine dieser überzeichneten Figuren in „Monkey Island“, denen die Spucke auf der Jagd nach Rekordweiten beim Reden wie ballistische Geschosse über den Bildschirm spritzte.
Dieser weilte also just zur gleichen Zeit in Addis Abeba, ist das nicht erstaunlich, weil er sich auf den langen Weg nach Ruanda machen wollte, um endlich seine Familie wieder in die Arme zu schließen, die er zwei Jahre lang nicht mehr gesehen hatte.
Auch sie mussten, wie etwa eine halbe Million andere Menschen seit 2015, aufgrund der politischen Situation in Burundi fliehen, weil dort seit eben grob jenem Zeitraum dieselben Probleme zwischen Tutsi und Hutu bestanden wie noch während des Genozids in Ruanda.
In Addis erledigte er nun seine letzten Boten- und Bittgänge hin zu mannigfaltigen Konsulaten und Botschaften, bevor er sich mit gestempelten Dokumenten bewaffnet auf den Weg machen wollte.
So erzählten wir uns gegenseitig die letzten Neuigkeiten aus unseren Leben und schlenderten danach zum Khul Center, wo wir Happy und Dorota trafen. Gemeinsam holten wir mit Happys Karre noch eine dritte Couchpotato ab (Ich sag’s Euch ja, der Typ spinnt!) und fuhren anschließend in ein nettes Restaurant zum Abendessen.
Es war fast so wie an meinem Geburtstag im Circle of Life: die Länder Äthiopien, Burundi, Polen, Frankreich und Deutschland saßen in einträchtiger Runde zusammen und träumten von einer besseren Welt.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht