„Doch sobald der erste Funke des Denkens auf der Erde erschienen war, fand sich, daß das Leben eine Fähigkeit in die Welt gesetzt hatte, durch die nun dieses selbst kritisiert und gerichtet werden konnte. Eine ungeheure Gefahr. Lange blieb sie unbemerkt. Doch kaum erwachen wir zur Idee der Evolution, so werden die Gefahren deutlich. Wie erwachsene Söhne – wie ,bewußt‘ gewordene Arbeiter – sind wir daran zu entdecken, daß sich etwas in der Welt entwickelt, mitten unter uns – vielleicht auf unsere Kosten. Wir gelangen sogar zu der noch schwerer wiegenden Erkenntnis, daß wir in dem großen, begonnenen Spiel nicht nur die Spieler sind, sondern zugleich auch die Spielkarten und der Einsatz. Wenn wir den Spieltisch verlassen, geht nichts mehr weiter. Und nichts kann uns zwingen, weiterzuspielen. Lohnt das Spiel die Mühe? Oder sind wir die Betrogenen? … Der Mensch, seit Jahrtausenden ans ,Weitergehen‘ gewöhnt, hat diese Fragen noch kaum in seinem Herzen gestellt. Doch schon wird das leise Murmeln dieser Frage vernommen und es verkündet unfehlbar ein kommenden Donnergrollen. (…)
Die Elemente der Welt, die, weil sie denken, sich weigern, der Welt zu dienen. Oder genauer: die Welt, die, wenn sie bewußt sich selbst erblickt, sich selbst zurückweist. Hier liegt die Gefahr. Was hinter der modernen Unruhe sich herausbildet und heranwächst, ist nichts Geringeres als eine organische Krise der Evolution.“
(P.T. de Chardin, „Der Mensch im Kosmos“)
„Wenn sich nichts außerhalb deines Geistes befindet, dann verleiht ein Urteil über etwas dem Beurteilten Macht über dich. Es hingegen nicht zu beurteilen heißt, ihm die Macht über dich zu entziehen.“
(G. Renard, „Die Illusion des Universums“)
„’Did you ever know a ghost?’ Chris asks.
I am half asleep. ’Chris,’ I say, ’I knew a fellow once who spent all his whole life doing nothing but hunting for a ghost, and it was just a waste of time. So go to sleep.’
I realize my mistake too late.
’Did he find him?’
’Yes, he found him, Chris.’
(…)
’What did he do then?’
’He trashed him good.’
’Then what?’
’Then he became a ghost himself.’“
(R.M. Pirsig, „Zen and the Art of Motorcycle Maintenance“)
„Was diese Ungerechtigkeit dir antut, der du ungerecht beurteilst und so siehst, wie du geurteilt hast, kannst du gar nicht abschätzen. (…) Und so siehst du dich, als seist du des Lichts beraubt, dem Dunkel preisgegeben und ungerecht und ohne Zweck in einer nichtigen Welt zurückgelassen.“
(„Ein Kurs in Wundern“)
Indem man über andere Menschen urteilt, kommt man nicht umhin, gleichzeitig und folgerichtig auch über sich selbst zu urteilen. Denn wenn man etwas als „schlecht“ erachtet, entsteht automatisch, notgedrungen, das Bedürfnis, selber nicht so zu sein.
Um das zu erreichen, muss man sich also unablässig überwachen (ist gleich die ständige Bereitschaft, zu urteilen), um sicherzustellen, dass man selbst „gut“ ist. Dergestalt degradiert man sein gesamtes Leben zu einem einzigen und endlosen Test, der niemals wirklich bestanden werden kann.
Denn selbst, wenn man in der Lage wäre, sich jahrzehntelang als gut zu erachten, ist ein „Fall“ ins Schlechte, oder Böse, Tag für Tag und zu allen Zeiten möglich.
Und so gerät der Test zum Gefängnis.
„Aber wenn du ihr Urteilen verurteilst, tust du dasselbe wie sie und bist in der gleichen Lage – an einen Körper und eine Welt gekettet, die du psychisch für dich wahr machst, indem du es versäumst zu vergeben.“
(G. Renard, „Die Illusion des Universums“)
„Unterscheidet in eurem Geist zwischen dem Menschen und seinem Werk. Argumentiert gegen sein Werk, wie ihr wollt, wenn ihr in euren Zeitungen von Irrtum, Dummheit, Verrat, Gewalt und Krieg lest. (…) Sammelt meinetwegen ganze Bücher über das Versagen des Menschen!
Ich persönlich sehe nicht ein, warum jemand die schlechtesten Arbeiten eines Künstlers sammeln und daran Vergnügen finden sollte, sie zu zerreißen. (…)
Den Menschen auf seine schlechtesten Werke festzulegen bedeutet, böswillig seine Fehler und das Störende seines Verhaltens zu verherrlichen, (…) und ihn danach zu verurteilen. Wenn ihr dies tut, verurteilt ihr persönlich auch euch selbst.“
(J. Roberts, „Die Natur der Psyche“)
Menschen, die meinen, die Welt verbessern zu müssen aus einem Gefühl des Zwanges und der Schuld heraus, gerade die machen es oft nur noch schlimmer.
„Hüte dich vor der Versuchung, dich als ungerecht behandelt wahrzunehmen. Aus dieser Sicht versuchst du eine Unschuld zu finden, die nicht die IHRE ist, sondern allein die deine, und zwar auf Kosten der Schuld eines anderen. Kann Unschuld dadurch erworben werden, dass du einem anderen deine Schuld gibst? (…) Auf welche Art das Schuldspiel auch gespielt wird, es muss Verlust geben.“
(„Ein Kurs in Wundern“)
„Jede Verstimmung, vom leichten Verdruss bis zur heftigen Wut, ist ein Warnzeichen und sagt dir, dass deine verborgene Schuld aus den Winkeln deines Unbewussten an die Oberfläche dringt.“
(G. Renard, „Die Illusion des Universums“)
Ich habe keine Zeit für Hass.
Ein Zwiegespräch
– Warum nur muss die Welt so von Gewalt durchdrungen sein? –
…Weil es wohl Menschen gibt, die innerlich keine Ruhe finden und von etwas getrieben werden. Andersherum: ich habe noch keinen gewalttätigen Menschen erlebt, der mit sich im Reinen gewesen wäre und einfach nur Spaß daran gehabt hätte, andere zu quälen.
– Aber wieso finden so viele Menschen augenscheinlich keine Ruhe? –
…Weil sie Dinge in der Welt sehen, die ihnen nicht gefallen oder geheuer sind und – sich selbst darin erkennen. An dem Punkt beginnt das Leiden, da sie anfangen, die Dinge, die ihnen durch die Welt gespiegelt werden, an sich selbst wahrzunehmen. Dinge, die sie nicht akzeptieren können. Dinge, die sie ablehnen. So urteilen sie zunächst über die Welt, insgeheim jedoch über sich selbst, und in der Folge fühlen sie sich deswegen schuldig, bewusst oder unbewusst.
Da dies jedoch einen so schmerzhaften und scheinbar unaushaltbaren Zustand darstellt, fangen sie sofort damit an, diese innere Schuld nach außen zu projizieren und im Zuge dessen unweigerlich Gewalt anzuwenden, sei sie psychisch, emotional oder am Ende sogar körperlich.
– Denn: Warum verurteile ich andere Menschen überhaupt? Warum findet gerade dieser Prozess statt? –
…Weil es mir das Gefühl gibt, besser zu sein. Weil der Schmerz, das Leiden, zumindest für eine kurze Zeit, nachlässt und ich mich in meiner eigenen Hölle ein klein wenig besser fühle.
– Aber warum leide ich? Weil ich mich schuldig fühle?
Was ist Schuld denn am Ende? Warum, wann fühle ich mich schuldig? –
…Wenn ich mir und anderen Menschen Schmerzen zufüge, egal ob ich es beabsichtigt habe oder nicht.
– Und was genau geschieht bei diesem Prozess? –
…Der „Andere“ wird verletzt, und ich nehme an, dass ich deswegen nicht mehr akzeptiert oder geliebt werde, ich verdiene kein Vertrauen mehr. Es tut sich ein Graben auf, und ein uraltes Abkommen wird gebrochen. Ich fühle mich getrennt.
Das Gefühl der Schuld rührt für mich aus einem Gefühl der
Trennung.
– Wieso ist Trennung so schlimm? –
…Weil sie sich nicht gut anfühlt. Weil sie ein Gefühl der Angst hervorruft, der Angst vor dem Anderen, vor dem Abgetrennten.
– Wieso aber bewerten wir „Getrenntsein“ überhaupt als schlecht oder negativ? –
… …Nun, das einzige, was mir dazu einfällt, ohne dass sich die Schlange in den Schwanz beißt (Aber das tut sie, nicht wahr?), ist ein unklares, undefiniertes Gefühl, dass irgendetwas in mir weiß und sich daran erinnert, wie es ist, nicht getrennt zu sein.
Und es möchte dahin zurück.
Also spulen wir zurück: Je mehr ich mich nicht getrennt, sondern verbunden fühle, desto weniger Schuld empfinde ich, desto weniger leide ich und desto weniger Gewalt muss ich anwenden, ob gegen mich selbst oder den ganzen Planeten.
„Erkenne zuerst, dass dies Angst ist. Angst entsteht aus einem Mangel an Liebe. Das einzige Heilmittel für einen Mangel an Liebe ist die vollkommene Liebe.“
(„Ein Kurs in Wundern“)
„The ’it‘ is a kind of force that gives rise to technology, something undefined, but inhuman, mechanical, lifeless, a blind monster, a death force. Something hideous they are running from but know they can never escape.“
(R.M. Pirsig, „Zen and the Art of Motorcycle Maintenance“)
„Projiziere diese Angst (vor Verlust; Anm. des Sammlers) nicht auf die Zeit, denn Zeit ist nicht der Feind, den du wahrnimmst. Die Zeit ist ebenso neutral, wie es der Körper ist, außer im Hinblick darauf, wozu sie in deinen Augen dient. (…) Erlösung ist augenblicklich. Wenn du sie nicht wahrnimmst, wirst du Angst vor ihr haben und glauben, das Risiko sei groß, dass du Verlust erleidest (…)“
(„Ein Kurs in Wundern“)
„Be it said, that though I had felt such a strong repugnance to his smoking in the bed the night before, yet see how elastic our stiff prejudices grow when once love comes to bend them.“
(H. Melville, „Moby Dick“)
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht