Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: „Wir sinken nicht!“…
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Vor langen Zeiten lebte ein Jäger in einem Dorf am Inle-See, nahe der Königsstadt. Er verdiente seinen Lebensunterhalt, indem er im Walde allerlei Getier erlegte. Eines Tages war der Mann wie gewöhnlich auf Jagd, aber kein Tier bot sich seinem Schusse.
Er drang tiefer in den Wald ein, doch immer noch blieb alles ganz ruhig. Da plötzlich kam ein heftiger Sturm auf, der Wald wurde finster, und starke Regenfälle stürzten vom Himmel.
Lange dauerten Regen und Sturm. Als sich der Himmel wieder erhellte, bemerkte der Jäger, dass er den Weg verloren hatte. Er machte verzweifelte Versuche, sich zurechtzufinden, aber es war vergeblich. Anstatt aus dem Wald herauszukommen, geriet er immer tiefer hinein.
Gegen Abend – er hatte schon alle Hoffnung aufgegeben – stieß er auf ein kleines Kloster. Er ging hinein und traf dort einen alten Eremiten. Erschrocken blieb er stehen. So etwas hatte er noch nie gesehen! Der Eremit hatte eine Nase, die so lang wie der Arm eines Mannes war.
Als sich der Jäger wieder gefasst hatte, sprach er zu dem Eremiten: „Ehrwürden, ich bin ein armer Jäger. Ich habe den Weg verloren und weiß nicht, wie ich aus dem Wald wieder herauskomme.“
„Ich werde dir helfen“, sagte der Eremit und lächelte, „doch es wird bald Abend, und es ist nicht ratsam, nachts durch den Wald zu laufen. Du siehst müde aus und bist bestimmt auch hungrig. Bleibe über Nacht in meinem Kloster! Iss und schlafe hier! Morgen früh werde ich dir den Weg zeigen.“
Der Jäger dankte dem Eremiten und aß, was der Eremit mit ihm teilte. Doch als er sich gesättigt hatte, konnte er mit seiner Neugier nicht länger hinter dem Berg halten und fragte: „Ehrwürden, wie kommt es, dass ihr so eine lange Nase habt?“
„Meine ist eben so lange, Jäger, aber ich hoffe, deine Zunge ist nicht so lang wie meine Nase“, antwortete der Eremit.
Der Jäger verbrachte die Nacht im Kloster, und am nächsten Morgen beschrieb ihm der Eremit, wie er am besten aus dem Wald herauskommen könnte. „Ich möchte dir noch einen Rat zum Abschied geben“, sagte der Eremit. „Es ist besser, eine lange Nase als eine lange Zunge zu haben. Man lebt ganz gut mit einer langen Nase, aber eine lange Zunge kann gefährlich werden und einen in Schwierigkeiten bringen.“
Der Jäger dankte dem Eremiten und machte sich auf den Heimweg. Eingedenk der Warnung des Eremiten schwieg er zunächst über seine Begegnung. Aber das hielt er nicht lange aus. Je länger er an die lange Nase des Eremiten dachte, desto mehr reizte es ihn, davon zu erzählen.
Es fiel ihm schrecklich schwer, seine Zunge im Zaum zu halten. Nach einer halben Stunde begann er seinen Freunden von dem Eremiten zu berichten, dessen Nase so lang wie ein Elefantenrüssel sei.
Seine Freunde erzählten es ihren Freunden, und die erzählten es wieder weiter. Auf diese Weise wurde die Nase länger, als sie in Wirklichkeit war. Bald hörten es auch die Leute in den Nachbardörfern. Und es dauerte auch nicht lange, da vernahm es der König, der sogleich nach dem Jäger schickte.
„Ist es wahr, dass du einem Eremiten begegnet bist, dessen Nase so lang wie mein Wachturm ist?“, fragte er. „Ja Herr, ich habe diesen Eremiten gesehen“, antwortete der Jäger. „Seine Nase ist zwar nicht so lang wie euer Wachturm, aber sie ist sehr, sehr lang.“
„Wo lebt dieser Mann?“, fragte der König. „Tief im Walde, Herr“, antwortete der Jäger. „Geh und fordere ihn auf, zu mir zu kommen, denn ich möchte gern seine lange Nase sehen“, befahl der König.
Da machte sich der Jäger auf den Weg. Nach einem langen und anstrengenden Marsch kam er zu dem kleinen Kloster, in dem der Mönch wohnte. Als der Eremit den Jäger kommen sah, strahlte über sein Gesicht ein breites Lächeln.
„Ich weiß, warum du hierher kommen musstest“, sagte er zum Jäger. „Der König möchte mich anschauen. Aber ich bin alt und schwach. Ich kann nur noch ein paar Schritte laufen. Du wirst mich also auf deinem Rücken tragen müssen.“
Der Jäger nahm den Eremiten auf den Rücken und schleppte ihn zur Königsstadt. Mehr als vierzig Mal musste er anhalten und ausruhen, denn der Weg war lang, und der Eremit hatte ein beträchtliches Gewicht.
Als der Jäger mit seiner Last im Palast des Königs ankam, setzte er den Eremiten erschöpft ab. Der König schaute sich mit Vergnügen die lange Nase des Eremiten an. Nachdem er seinen Spaß daran gehabt hatte, entließ er den Eremiten mit ein paar ansehnlichen Geschenken und sagte, dass er nun in sein Kloster zurückgehen könne.
„Schönen Dank für die Geschenke!“ sagte der Eremit zum König. „Ich werde jetzt zurückkehren, aber ich bin alt und schwach und kann selbst nur wenige Schritte zu Fuß gehen. Irgendjemand wird mich auf seinen Rücken nehmen müssen.“ Da wandte sich der König an den Jäger: „Du bist der einzige, der den Weg zum Kloster des Eremiten kennt. Trage ihn zurück!“
So musste der Jäger den Eremiten noch einmal auf den Rücken nehmen und zu seinem kleinen Kloster tragen. Keuchend und schnaufend kam er schließlich dort an, setzte den Eremiten ab und fiel selbst völlig erschöpft und nach Atem ringend zu Boden.
„Meine lange Nase hat mir einen kostenlosen Ritt in die Königsstadt verschafft und einige schöne Geschenke obendrein“, sagte der Eremit zu dem Jäger. „Deine lange Zunge aber hat dir Mühen und Verdruss bereitet. Weißt du jetzt, was ich meinte, als ich sagte, dass es besser sei, eine lange Nase als eine zu lange Zunge zu haben?“
Der Jäger war so erschöpft, dass er nicht einmal antworten konnte. Er nickte nur müde und machte sich ganz langsam auf den Heimweg in sein Dorf.
(A. Esche, „Märchen der Völker Burmas“)
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht