Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Vorposten der…
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Und ein Paradies war es. In seiner Mitte sonnten sich zwei halb überwucherte Lagunen, in denen man trotzdem hervorragend schwimmen konnte. Das bezeugten die zahlreichen Barsche, bevor sie herausgefischt und auf höchst unvegane Weise verzehrt wurden. Das habe ich selbst so erlebt und beschwöre es!
Zu der Zeit kam nämlich ein anderer Schamane aus dem hohen Norden Mexikos zu Besuch, aber zu dem sage ich später noch was, sonst stolpere ich arg zu sehr über meine eigenen, flatterhaften Gedanken.
Es gab zwei liebevoll gestaltete Schwitzhütten, ein Baumhaus und die Schaltzentrale, das Nervensystem vom El Jardín: eine zentral gelegene Küche mit dem „Wohnzimmer“ als Essbereich.
Daneben lag ein kleiner Zeremonientempel sowie ein um einiges größerer am anderen Ende des Gartens. Wenn man auf seiner Hinterseite ein paar Holztreppen in den ersten Stock hinaufstieg, fand man sich in einem offenen Yoga-Loft wieder, von dem aus man einen kleinen Überblick über das Anwesen hatte.
In der Nähe des Eingangs befanden sich Freiluftduschen und Kompostklos, und auf einem dicken Strohdach prangte einsam und stolz eine Solarzelle, die sich der eigenartigen, kleinen Regenzeit entgegen stemmte, die die Region mitten in der Trockenperiode in ihrem feuchten Atem hielt.
Angeblich war das um die Zeit gar nicht so eigenartig, obwohl es überall sonst in Mexiko furztrocken war. – Obwohl, der Elian meinte, auf dem Yucatan sei es auch so zugegangen. Als ich vor zwei Jahren in der Ecke unterwegs gewesen war, wann war das, November, Dezember?, da gab es wiederum kein bisschen Regen, nicht einmal ein Wölkchen am Himmel.
Sei’s wie’s will, dafür kann niemand was, nicht einmal der Klimawandel, weil der tut auch nur das, was man ihm anschafft. …Ich will mich da auf gar keine Diskussion einlassen, weil das ermüdet mich. So oder so macht es keinen Sinn, Regenwälder zu verbrennen und überallhin giftiges Zeug zu verspritzen.
Aber bitte, wem’s gefällt.
Mir gefiel es, dass alle Gebäude im El Jardín sehr offen und luftig gestaltet waren, und wo es notwendig erschien, hingen Moskitonetze mit ihren obligatorischen Löchern.
Das ist aber der Style, das gehört so. Genauso wie die paar Fetzen von alten Gaffa-Tapes, die sich still und der Vergeblichkeit ihrer Existenz bewusst daran klammerten, so dass es mir ganz leid tat.
Es gab durchaus ein paar Cabañas für Gäste, aber auf grobschlächtige Touristen hatten sie dort wenig Lust: zuviel Außenwelt. Außerdem langweilte es den Schamanen, immer wieder das Gleiche über sein Projekt verzapfen zu müssen.
Teh. „Willkommen in meiner Welt“, erwiderte da der Tour-Guide in mir.
Ihm dagegen gefiel es, wenn die Leute gleich länger blieben und ein wenig im Garten mithalfen, wenn sie denn schon in seine kleine, grüne Höhle einfallen mussten.
Darin also unterschied sich jene Community zur bisherigen Vision der Cuna in Oaxaca, auch im Hinblick auf die geplante Infrastruktur, die ich im El Jardín eher als roh, ursprünglich und viel näher an der Natur bezeichnen möchte als die eines „herkömmlichen“ Guest Houses, so mit Annehmlichkeiten und Frottee-Bademänteln.
Das passte dort und in der Form auch viel besser in die Umgebung, keine Frage.
Und was in den Bergen um San Mateo Tag für Tag einfach so spontan passierte, gehörte da schon zur Tagesordnung, denn Gemeinschaft war in Palenque mehr oder weniger – Aaargh, mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen – institutionalisiert.
Das schien wiederum so gar nicht zur Natürlichkeit der ganzen Anlage passen zu wollen, aber ich finde es schon okay, wenn man die Leute ein bisschen einspannt. Dann weiß nämlich ein jeder, was Sache ist, und für fünfzehn Euro die Nacht all inclusive kann man das auch machen, mit Verlaub.
Demnach war an jedem Tag eine gewisse Zeitspanne nach dem Frühstück für selbstlose, doch liebevolle Community-Arbeiten reserviert, die man je nach Lust und Laune in die Länge ziehen konnte: abwaschen, putzen, fegen und was sich einem im Leben halt so in den Weg zu stellen pflegt.
Dahingehend erlebte ich am ersten Tag meine Sturm-und-Drang-Zeit und ging sogar frech zum Eingangstor hinaus bis vor das Gelände, um Holz zu sammeln, doch diesen Lausbubenstreich bezahlte ich ausgiebig und teuer, und zwar in Form von zahlreichen, mehr noch!, mannigfaltigen Zeckenbissen.
Zuerst dachte ich, das sei einfach Staub und Dreck, der sich da über meine beiden Beine ausgebreitet hatte, bis ich mit Schrecken sowie einer gehörigen Portion Unwillen registrierte, dass es sich um eine ganze Armee dieser winzigen Schmarotzer handelte!
Die krabbelten an mir hoch wie Ameisen auf der Jagd nach Ahornsirup. Das merkte ich allerdings erst am Abend, als sie sich bereits hübsch eingerichtet hatten in den Kniekehlen, Oberschenkeln sowie in meiner gesamten Leistengegend inklusive Arschbacken, mit einigen Satellitenstaaten drum herum. Aus irgendeinem Grunde jedoch schienen sie meine Achselhöhlen zu meiden…
Das war nun nicht weiter schlimm oder gefährlich, denn im Gegensatz zu ihren ausgewanderten Expats, die bei uns in Süddeutschland ihr Unwesen treiben, übertrugen sie keine widerspenstigen Krankheiten.
Sie ließen sich auch ganz leicht mit den Fingernägeln wegkneifen, aber es waren halt so viele, dass ich bestimmt zwei Stunden mit ihrer humanitären Ausmerzung beschäftigt war und danach fiese Kreuzschmerzen hatte.
Ich schwöre, dass ich im Verhältnis zu meiner Feinkoordination und ihrer Größe alles nur Menschenmögliche unternahm, um sie nicht umzubringen. Aber irgendwo ist halt auch mal Schluss.
Die Kreuzschmerzen waren schnell wieder weg, aber nach der erzwungenen Zupfmeditation sah ich aus wie ein entzündeter Streuselkuchen, und mein Körper juckte ganz fürchterlich und immer an anderen Stellen, je nach Tagesqualität und Herdcharakter. Selbst nach anderthalb Wochen waren die Bisse noch zu erkennen.
Tanja malte gleich noch Teufel an die Wand, als sie meinte, bei ihr hätte das einen geschlagenen Monat gedauert, bis die vollends verheilt waren. Da hörte ich lieber gar nicht zu und machte das Zeichen mit der Hand.
Aber die war so. So eine kleine Katastrophennudel. Das mochte auch mit ihrem Handwerk zusammenhängen, immerhin war sie Heilerin.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht