Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Babyschritte…
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Ich erwachte am nächsten Tag und stellte mit verklebtem Erstaunen fest, dass es bereits wieder an der Zeit war, alles einzupacken, um mit einem Minibus der komfortablen „Lineas Unidas“ weiter nach San Jose de Pacifico zu fahren, wo ich mich mit meinen lieben Freunden treffen wollte, die ich vor zwei Jahren bei meinem ersten Medizincamp kennengelernt hatte.
Wer weiß, was das Schicksal mit ihnen und mir noch vor hat in der Zukunft; mit den Jahren bekommt man den Dreh ja ein wenig heraus. Bis dahin setzte ich mich in ein Restaurant und trank einen scheußlichen Kaffee, der im Prinzip aus einer kränkelnden Milch bestand, die so aussah, als ob sie sich eben mit Lepra angesteckt hätte.
Ich erinnerte mich: die billigen Cafésitos sollte man tunlichst vermeiden und lieber zwanzig Pesos (einen Euro) mehr ausgeben für einen anständigen Cappuccino, oder einen Latte von mir aus. Alles andere ist aber eine Farce und ein Unsinn!
Auch unterschätzte ich die immense Relativität und, Deeehnbarkeit der Zeit im Wunderland der Zauberpilze (sowie vielerlei anderer psychoaktiver Substanzen; das habe ich im Internet gelesen, Oma), und somit verfügte ich noch über einen Gutteil jener Seinsdimension in San Pacifico, um Tom Sawyer auf seinen Abenteuern zu folgen, bis die anderen Hippies eintrudeln sollten.
Schlag halb Sechs war es endlich soweit, als ein Pick-Up an der Hauptstraße hielt, randvoll mit einem flatternden und vor Glückseligkeit überlaufenden Empfangskomitee, und wir uns grinsend und feixend in den Armen hielten.
Doch es dauerte eine ganze Weile, bis auch eine zweite Abordnung des Wassermannzeitalters von der Küste aus zu uns stieß. Denn es war bereits eine mit Sternen übersäte Nacht, als wir durch die Berge nach San Mateo hoppelten, wo das noch recht jungfräuliche Grundstück des Schamanen lag, auf dem wir uns nach und nach alle versammelten.
Das befand sich etwa zwanzig Gehminuten vom Dorf entfernt, und es brannte bereits ein anständiges Lagerfeuer, um welches sich der Rest des spirituellen Stoßtrupps scharte. Schon lagen wir uns erneut in den Armen, erfreuten uns aneinander und ließen unsere Herzen in gegenseitiger Zuneigung erstrahlen!
Ganz aufgeregt setzten wir uns dann und plapperten vergnügt um das Feuer herum, das die ansteckende Energie zu spüren schien, die es da umgab, und eifrig mit seinen Schützlingen um die Wette schnackte und knackte.
Aber schon bald gingen bei uns Neuankömmlingen die Lichter aus, und wir zogen uns für die erste Nacht in eines der vorbereiteten Zelte zurück, gespannt darauf, wie all das bei Tag aussehen mochte.
Doch als ich mich nach drei Tagen beständiger Fortbewegung schließlich erhob und schlaftrunken nach draußen torkelte, sah ich erst einmal den Wald vor lauter Bäumen nicht, denn mich umgab dichtes Gestrüpp.
Das kann nicht sein. Wie schaut das denn weiter drüben aus?
Oben, in der offenen Küche und unserem überdachtem Esszimmer, die an die Versorgungshütte anschlossen, herrschte bereits ein emsiges Treiben um zahlreich klappernde Frühstücksutensilien, auf die sich mein sehnsüchtiger Blick auch sogleich haftete.
Doch war es meinem knurrenden Magen nicht unverzüglich vergönnt, sich darauf zu stürzen, denn gemäß guter Sitte und Ordnung musste ich mich zunächst durch einen weiteren Wald aus Umarmungen und wässrig liebevollen Blicken schlagen, bevor ich endlich mit einer Tasse dampfendem Kaffee und einer Schüssel, prall gefüllt mit Obst, Müsli, Chia-Samen, klar, Nüssen, Rosinen, Haferbrei, naja, und Honig saß und langsam merkte, dass…
Hey, ja. Ich war in Mexiko.
Das hatte ich vor lauter Steineichen und Kiefern, die mich auf den zweieinhalb Tausend Höhenmetern umgaben und von der verräterischen Höhensonne schützten, fast gar nicht gerafft.
Trotzdem wagte ich mich etwas später aus ihrem kühlenden Schatten und folgte einem schmalen Pfad nach unten. Es wurde licht, ich drehte meinen Kopf vorsichtig etwas nach links, und blieb, wie schon einige Male in meinem Leben, wie vom Donner gerührt stehen!
Vor mir breitete sich ein dunkelgrün bewaldetes Gebirgstal aus, in das ich am liebsten ungewaschen und ungeschoren hinein gesprungen wäre, um mich in seinen Windungen, in seinen Höhen und Tiefen zu verlieren und damit zu verschmelzen wie zu guter Letzt Radagast, der Braune.
Zu beiden Seiten folgten stolze und wachsame Berghänge seinem Verlauf, der sich am südlichen Horizont immer mehr zuspitzte und von einer weit entfernten Bergspitze wie verriegelt wurde. An ihren Kämmen fingen sich dichte Wolken, die von der Pazifikküste aus kamen mit leeren Versprechungen, denn es herrschte Trockenzeit in jenen Landen.
Aber was war das nun für ein Ort, und warum hatte ich mich auf den beschwerlichen Weg dorthin gemacht?
Vielmehr, was wollten all die komischen Typen dort?
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht