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Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Fegefeuer…
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Aufwärmen?

Zugegeben, ein Geldautomat in einer Höhle mit anderthalb Stunden Anfahrtsweg, why not, heutzutage ist alles möglich und nichts zu peinlich. Doch so weit sind wir wohl noch nicht, denn das Kürzel steht in diesem Falle für „Actun Tunichil Muknal“, was grob soviel heißt wie „Höhle des kristallenen Grabes“, und darum geht im Großen und Ganzen.
Also einmal kurz erleichtert ausatmen und über die Stirn wischen, bitte.

Schicksal

Das Aufwärmprogramm bestand in einer erfreulichen Wanderung entlang eines üppigen und in der Sonne sich weidenden Tales inklusive zweier erfriHIschender Flussdurchquerungen, bevor wir ebenfalls schwimmend das weit aufgerissene Maul des Höhleneingangs bewassertraten.

An dieser Stelle muss ich mich aufrichtig für das schändliche Bildmaterial entschuldigen, denn selbst meine in ihrer Treue unverbrüchliche Kamera hätte diesen Trip wohl kaum überlebt. Die von der Tour meinten ja großzügig, dass sie uns Teilnehmern Bilder zuschicken würden, und in meiner naiven Verblendung nahm ich an, dass einer der Guides fleißig fotografieren würde.

Mm, nein, nein. Es handelte sich immerhin um generisches Fotos, die sie halt irgendwann einmal aufgenommen hatten und fürderhin für ihre Marketing-Streiche verwenden. Das wiederum heißt, ich kenne etwaige Personen auf den Bildern nicht, stehe nicht für sie grade, bin weder verwandt noch verschwägert und muss zähneknirschend auch noch Werbung machen, weil sie natürlich auf die besten auch noch ihr gschissenes Logo drauf geklatscht haben, clevere Motherfucker.

Hmpf

Naja, die Welt ist ein Komposthaufen aus halb vergorenen Kompromissen, entweder man kommt drüber hinweg oder gründet eine Diktatur.
Am Ende hinterlässt beides Narben, mit dem Unterschied, dass sie sich im ersten Fall auf nur einen Körper begrenzen.

Aber wie ungewöhnlich, in klatschnassen Klamotten, versandeten Socken und besseren Badelatschen durch eine gigantische Höhle zu klettern. Durch winzige Tunnel und riesige, säulenbestandene Hallen aus Stein führte unser Weg, eine Ehrfurcht gebietende Welt in ewiger Dunkelheit; kein Wunder, die Maya sind darauf nicht klar gekommen.

Glitter!

Über mir glitzerten kräftige und gesunde Stalagtiten, dazwischen gähnten kleine, geduldig ausgeschwappte Löcher im Gewölbe aus hellem und manches Mal scheinbar aus etwas dunklerem Gestein.
Letztere jedoch versprachen die Heimat von Fledermäusen, denn der Stein darum war nicht wirklich schwarz, vielmehr stammte die Farbe von deren Exkrementen. Unwillkürlich zog ich den Kopf zwischen die Schultern.

Hay Tortillas?

Um uns herum auf dem Boden verstreut lagen heile und zerbrochene Keramikgefäße, uralte Opfergaben nervöser Maya, wenn die Trockenzeit zu lange andauerte.
Denn dann zogen sie ängstlich in die Höhlen, dem düsteren Zugang zur Unterwelt, wo sie den Regengott gnädig zu stimmen suchten.

Je höher wir in diesem feuchten und klammen Berg im Berg nach oben stiegen, desto inständiger wurde ihr altvorderes Flehen: mittlerweile mischten sich ein ums andre Mal Knochen hochgestellter Kinder und Jugendlicher.

In morbidem Triumph aber thronte das aufgeschlitzte (als noch ein Bauch darum war) Skelett eines 15-jährigen Buben auf dem Altar des Höhlengipfels, bestürzendes Symbol der ultimativen Verzweiflung.
Nun. In meiner Welt war es das eines geschäftigen Zwerges mit Hammer und Meisel auf der Brust, der zu gierig und zu tief gegraben hatte…

Verzweiflung

Doch all das Schlachten und Bluten half ihnen am Ende nichts, sie mussten hinaus aus dem zentralen Flachland des heutigen Guatemala und nach Norden in den Yucatán oder gen Süden in Richtung der Pazifikküste fliehen.
Manche der halb mit dem Stein verbackenen Schädel wurden jedoch posthum verspätet von einigen übermütigen Fotoapparaten eingeschlagen, nur um ganz sicher zu gehen.

Ganz tot

Das wäre ja noch schöner, wenn andere Touristen ihre Kamera auch mitnehmen dürften. Bei aller Liebe, aber da führt man sich doch lieber ein wenig auf, damit es auch hoffentlich verboten wird, nach mir die Sintflut.
–- Wisst Ihr… manchmal würde ich auch gern gewisse Schädel einschlagen, aber es wird halt so schnell kompliziert, wenn noch ein paar Millimeter Haut und eine fettige Frisur darum gespannt sind.

Mittlerweile fror ich ganz ausgelassen. Wie ein kalter Wickel presste sich das klamme T-Shirt an meine bibbernde Gänsehaut, immer wieder mussten wir ins kristallkalte Quellwasser und uns mit dem Hals haarscharf zwischen messerspitzen Felsvorsprüngen, sozusagen um Kopf und Kragen, hindurchzwängen.

Warm

Was vorher als einmaliges Ereignis vor meinem sehnsüchtigen Augen brandete und nunmehr lodernd auf meiner Checkliste verlosch, hinterließ ein unterschwelliges Gefühl von Blasenentzündung und Schüttelfrost.
Der Trick bestand darin, den Kopf nach schräg rechts oben zu drehen und zu versuchen, keinen Kreislauf in den Halsschlagadern zu haben. Gar nicht so leicht.

Immerhin, fünf von acht tapferen Seelen aus unserer Gruppe haben es geschafft, der Rest wurde der Unterwelt der Maya geopfert. – Und wieder hat es nicht geregnet!
(Nein natürlich nicht, Oma. In Wirklichkeit waren es vier. Und ich hab’ sowieso den Zug genommen, sonnenklar.)

Wert

Ach! Wie schön, wieder die belebende und wohltuende Wärme der Sonne auf der Haut zu spüren! Wenigstens für drei Minuten, bis der Schweiß abermals meinen Klamotten vom Trocknen abriet.

Seelig wanderten wir zurück durch das beschauliche Flusstal, das diese beeindruckende Höhlenstadt umgibt, überall funkelten die violetten Blüten der Morning Glory, welche für zwei Monate im Jahr den grünen Vorhang des Dschungels in einen bunten Teppich verwandelt.

Puh. Zuerst wollte ich ja nicht mit, weil mir 85 Dollar für einen halben Tag (und da war schon Discount drauf) Shiva’s heiliges Feuer der Vernichtung aus den Augen getrieben hatten, aber ich muss gestehen, dass die Tour jeden einzelnen Cent mit einer noch recht jugendhaften englischen Königin auf der einen Seite der Münze wert war.

Also, ne? Wenn Ihr mal in Belize seid, dann geht da hin. Und nehmt heimlich Eure GoPro mit. – Nein! Pscht. Sowas sagt man nicht, sagt man nicht! Aber gebt es zu, daran gedacht habt Ihr schon während dem Lesen.
Schlawiner sind wir, allesamt und Gott sei Dank.

Bodenlos

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