Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Hinab in die…
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Es ist halt so: Man kann nach Chichen Itza fahren, sich das alles anschauen und ziemlich beeindruckend finden. Aber man kommt sich vor wie in einem sterilen Freiluftmuseum, alles ist mehr oder weniger aufbereitet und hübsch hergerichtet, das Staunen ist vorprogrammiert und institutionalisiert. Nichts wirkt echt, man kriegt keine Verbindung zu dem Ort, man spürt ihn nicht.
Ein bisschen anders und doch ähnlich ist es mit Stätten wie Palenque und Tikal. Dort findet man weniger Trubel, weniger Hype, die Tempel und Gebäude scheinen noch eher dem Dschungel zu gehören als der Welt der Menschen.
Seine Armeen dräuen, lehnen sich bereits drohend über die Hinterlassenschaften der alten Maya, allzeit bereit, jene Gebiete bei der kleinsten zivilisatorischen Unachtsamkeit wieder in Besitz zu nehmen, sie einmal mehr zu verschlingen und tief in seinen Eingeweiden zu vergraben.
Schon tönen seine röhrenden und zwitschernden Herolde und blasen scheinbar zum Angriff, doch noch können sie nicht durch die menschlichen Wälle aus fleißiger Geschäftigkeit brechen, die solch magische Orte beständig und mit jedem neuen Tag aus den gierigen Klauen des Regenwaldes entreißen.
Noch immer ist es zu sauber, zu geleckt, um wirklich ein irgendwie geartetes Gefühl dafür zu entwickeln.
Zumindest, solange man sich den Rest nicht wegmeditiert oder unterstützende Substanzen zu sich nimmt.
Man muss wirklich einige Zeit durch den Dschungel kriechen und derlei Zeugnisse der Vergangenheit auf – quasi – eigene Faust entdecken, eventuell unter Zuhilfenahme einiger Guides, Köchinnen, Maultiere und Pferde, aber hey, Frodo hat den Ring auch nicht allein nach Mordor getragen.
Solcher Art waren wohl die Prozesse, die durch mein Unterbewusstsein flutschten, seit ich im Januar von der 6 Tage-Rundwanderung nach El Mirador gehört hatte und die mich schließlich dazu veranlassten, da nochmal mit Verve und Vehemenz nachzuhaken. Ich schrieb sogar eine E-Mail von San Ignacio aus, und das will erst einmal verdaut werden.
So führte mich mein Weg also zurück ins beschauliche Flores und die hip-chilligen Lauben des Los Amigos, die als Mittelmann fungierten für die Jungs von der Cooperativa Carmelita, die den Trek organisierten. Umgerechnet circa 250 Euronen, all inclusive, leider ohne Fußmassage und Maniküre, dafür mit herrlich erfrischenden bucket showers und Zeckenpeeling.
Ein Skorpion bot in „La Florida“ vergeblich seine Dienste an.
Doch ich galoppiere voraus. Zunächst galt es, die Grenze nach Guatemala zu überwinden, die ich in der Manier eines versierten Hürdenläufers praktisch aus dem Stegreif und ohne zu überlegen meisterte.
Womit ich jedoch nicht rechnete, war der spontan erwachsene Umstand, dass sich ein Dorf gleich hinter der Grenze über Nacht dazu entschieden hatte, eine zweite zu errichten in Form einer provisorischen, doch liebevoll gestalteten Straßenbarrikade.
Sie waren wütend. Aufgebracht und wieder und wieder enttäuscht, verständlich, denn die Regierung verspricht ihnen seit Jahren eine neue Straße und nichts passiert.
Das kennt man ja. Über die Art und Weise des Protests lässt sich freilich genüsslich streiten, aber nach dem ersten Schock und einem wohl austarierten Anflug von Ärger zeigte ich mich eher belustigt von dem sonderbaren Treiben, neugierig, was wohl als nächstes passieren würde.
Einige Damen brachen selbstbewusst und entschieden durch die Barriere aus Baumstämmen und entrüstet quasselnden Dorfbewohnern, die sich bescheiden zu Wächtern erzwungener Integrität ernannt hatten. Was vielen Männern nicht gelang, schafften die blitzenden Augen der Chicas mit dem Bewegungsmoment einer unaufhaltsamen Naturgewalt.
Zu viele der stolzen Recken mit Macheten über der Schulter erinnerten sich an die frühen Tage ihrer Kindheit, wenn der Zorn der eigenen Mutter drohend wie ein schäumender Vulkan über ihnen tobte, weil sie im Übermut ihren frisch gestutzten Blumentopf zerbrochen hatten. Zu viele vergrabene und verdrängte Traumen, um sich dem Ansturm aus geballter Weiblichkeit auch nur im Ansatz entgegensetzen zu können.
Da hatte es der wissend in sich hinein lächelnde Eisverkäufer schon leichter. Es war drückend heiß und somit sein Glückstag.
Auch ich konnte mich glücklich schätzen, denn außer einem verständigen Engländer und drei verwunderten Polen traf ich auch Murphy wieder.
Ja, wenn mal einmal auf dem Trail unterwegs ist…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht