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Zeit

Rasht war in Wirklichkeit eine Wundertüte.
Obwohl die Menschen in diesen Gegenden -schier unmöglich- noch netter zu sein schienen als sonstwo (Zur Hölle, selbst Taxler hatten mich hier umsonst mitgenommen, nur weil ich imstande war, ein bisschen Farsi daher zu stammeln.), blieb ich die ganze Zeit seit Hatam’s sozialem Anschlag mehr oder weniger unbehelligt und für mich allein.

Das hätt’ ich schon nicht mehr für möglich gehalten: Zeit! Für mich! Ganz allein. Toll.
Oke, bis auf einen pensionierten UN-Mitarbeiter, der mich auf eine Runde Wasserpfeife, Chai und Datteln einlud; auf das ließ ich mich grad noch ein. Angeblich war er Umweltbeauftragter für den Mittleren Osten und liebte Wien. Das war recht vergnüglich.

Wie jeder andere

Aber dergestalt ohne Einladung ging auch No Ruz spurlos an mir vorüber, es schien geradezu als wär’s „…a Dog wia jeda andre, i bin aufgstanden um siebne in da Friah…“ (Hans Söllner)
Naja, wohl eher halb neun, aber hört hört.

In den Straßen ging nichts Ungewöhnliches oder Anstößiges vor, es gab weder Feuerwerk noch Artilleriekrachen.
Na, war mir grad recht, ich hatte ja meine Portion Böllerwahn schon abbekommen, herzlichen Dank.

Spezialgeschäft

Diese Ghalyun-Teeläden in Iran sehen ja wirklich aus wie Coffee-Shops in Amsterdam, echt. Haargenau so. Ich musste dreimal hinschaun, ob der langhaarige Besitzer mit Sonnenbrille im schummrig schäbigen Etablissement nicht doch einen Dübel zwischen den Zähnen versteckt hatte.
Wer weiß, was hier hinter der Ladentheke im Hinterzimmer so läuft.

Oh! Und um die höchst subjektive Schönheit dieser Stadt zu vervollständigen, entdeckte ich in einem speziellen Spezialgeschäft für Tabakbedarf aller Art –
„Papers!!“ Zitternd zeigte ich meinem Erlöser die leere Schachtel, die ich weise aufbewahrt hatte.

Entdecken

„OCB? – Ja? Hast Du die ernsthaft?? Ach! Sogar die dünnen!!“
Ich konnte es nicht fassen, fast wäre ich ihm um den Hals gefallen. Ich musste mich auch zurückhalten, um zur Sicherheit nicht den ganzen Laden leer zu kaufen.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt liebte ich die Stadt von ganzem Herzen.

Aber ansonsten tatsächlich nur flanieren planieren, Ecken entdecken und pompösend dösen. So habe ich das Reisen mittlerweile lieben und schätzen gelernt, so hab’ ich es gern, so ist es mir recht.
„Verschon’ mich mit monumentaler Architektur und verworrenen Stuckverzierungen! Prestigärer Firlefanz, ist ja e-kel-haft.“

Am Berg

Auf der anderen Seite soll man seine Wurzeln auch nicht vergessen.
So holte ich den nochmals tief Luft, raffte all meine verbliebenen Kräfte zusammen und hopste in mehreren Savari-Sprüngen ins kleine UNESCO-Dörfchen Masuleh, auf etwas mehr als 1.000 Metern in die nebelverhangenen Berge gemeiselt.

Diese Spinner haben ihre Häuser an einen derart steilen Hang gebaut, so dass das Dach der unteren Behausung als Veranda für das darüber liegende dient. Gar nicht so blöd.
Ja, sehr anheimelnd schnuckelig war es dort mit schlingernden Treppen, hellbraunen Lehmfassaden und den sich pittoresk aus den liebevoll verzierten Holzfensterläden lehnenden altehrwürdigen Herr- und Damschaften.

Kokett

Gasse um Gasse schmiegte sich der Ort in den Berg hinan, Schubkarren und Wasserkanister posierten kokett vor bunten Blumenkästen. Ein Lausbubenspielplatz für Spiegelreflektionäre.

Hier hätt’ ich’s durchaus ein Weilchen aushalten können, aber in Anbetracht der frostigen Witterung waren mir die Hotelpreise doch zu gesalzen.
Das war es mir nicht wert. Und die vielen Menschen hier! Zum ersten Mal bekam ich die volle Wucht der persischen Ferien zu spüren.

Hitchhiken

Die letzten Kilometer vor Masuleh fuhren wir Kolonne. Es fühlte sich an, als ob man auf ein Festival fuhr, komplett mit Parkanweisern. – Wo sind die Dixies??
Ähnlich ausgefreakt wie ein Spring Break, nur ohne Booze und mit Klamotten.

Passenderweise wurde ich in Fuman von einer geldigen und trotzdem netten Familie mitgenommen, Mutter und Tochter mussten sich dafür stapeln (Mersi!). Es war eh nicht weit, aber die erste halbe Stunde fuhren wir glatt in die falsche Richtung.
Der Preis für Hitchhiking irani.

Herden

Zum Glück handelt es sich bei Touristen um Herdentiere, nur einige wenige vorwitzige Exemplare nahmen vor der Hauptverpferchung um den Bazaar reißaus.
Die Einheimischen schienen den humanitären Almumtrieb gelassen zu ignorieren und grüßten mich freundlich wie jeder andere in diesem faszinerenden Land.

So man denn etwas weiter den Hang hinaufgemste, war man weitgehend für sich allein und konnte die fast mystische Aussicht auf dieses versteckte Tal genießen. Als die Nebelwolken über den Nachmittag stetig tiefer sanken und den Ort immer dichter in einen nieselnden Vorhang hüllten, stieg ich also satt und zufrieden hinunter zum „Terminal“, einem matschigen Parkplatz, wo die Taxis ungeduldig warteten.

Nebel

„So, und das war’s! Schluss mit dem Rumgeeiere und Gegeiere, ab jetzt ist easy flowing angesagt. Scheiß auf Sightseeing, ich will slightbeing, Officer!“
Das heißt natürlich nicht, das ich mich nicht bewegte. Ooooh nein. Sitzend fahrend schauen, jawohl.

In einer großzügigen Schleife wollte ich kurz und knackig entlang der Küste nach Gorgan, über Golestan, Mashad und übelst quer durch die Wüste noch einmal tief hinunter ins südliche Hochland vorstoßen. Damit ich Freak das alles wenigstens mal gesehen hab’.

Terrassen

Also holte ich aus zum letzten großen Sprung vor dem abschließenden Kapitel meiner Reise durch die persischen Lande.
Ich weiß auch nicht, irgendwie hatte ich noch ein bisschen Lust auf Busfahren. Wahrscheinlich, weil ich vielleicht bald überschnappe oder dumm bin oder sowas.
Ja, es erinnerte mich doch sehr an „Forrest Gump“:
Ich hatte Lust, Bus zu fahren. Also fuhr ich Bus.

Dorfmitte

Balkon

Unbeirrt

Winkel

Alltag

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