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Sprungbrett

Von dort nämlich geht die Fähre nach Caye Caulker, einem vielversprechenden Inselidyll kurz vor der Küste, also quasi mitten in der Karibik.
Das mag etwas übertrieben sein, dennoch fühlte ich mich dort so, als ob ich tatsächlich mitten in Kingston Town abgesetzt worden wäre: „Ya maaan, welcame to di islaand! Just relax aan’ enjoy, and you will be saarv’d (served).“

Das Verwirrende war, dass manche von ihnen auch Spanisch sprachen und im Gegenzug einige der indigenen Maya unter einer chronischen Infektion jenes absurd entspannten und verklärten Englisch litten, von denen man sonst nur ratterndes „Claro que si“ gewohnt war. Sehr strange.

Schlurfen

Wow. Kreolische Rastafaris von der Leine gelassen. Und man wundert sich erst danach, warum es überhaupt erst eine Leine gebraucht hat. Denn selbst wenn sie flüchten wollten, bräuchten sie bei ihrem Gemüt eine halbe Stunde für zwanzig Meter.
Da braucht Ihr gar nicht lachen! Das geht jedem so, wenn man sich nur drei Stunden diesseits der Grenzen des Mangrovensumpfes aufhält, der diesen flachen Sandhaufen zusammenhält.

Die Insel erschien in der Tat wie der magnetische Gegenpol zur Hektik und Raserei der restlichen Welt und schien Geschwindigkeit aufzusaugen wie ein vertrockneter Schwamm. Man ging auf Caye Caulker nicht spazieren, man floss in Zeitlupe schlurfend dahin wie Lava, der endgültig die Puste ausgegangen ist. Obwohl ich nach vier Tagen unbedingt von da weg wollte, fiel es mir schwer, mich von seinem zähen, wabernden Dunst zu befreien.

Hauptachse

Das ist wie, wenn man sich nach einer ausgiebigen Filmnacht mit Bier und Chips aufraffen muss, um in einem kalten Novemberregen nach Hause zu radeln. Aus diesem Grund hatte ich mir früh bereits einen leistungsfähigen Beamer besorgt, zu Zeiten, als sie noch größer waren als ein Daumennagel.

Obwohl ich es dank der 21st century digital tourists dort als sehr weit hergeholt erachtete, kam ich nicht umhin, einen Hauch der jahrhundertealten freigeistigen Atmosphäre aus grobschlächtiger Piraterie und Gesetzlosigkeit zu verspüren, als ich während mancher Stunden des Alleinseins durch die aus fest gebackenem Sand bestehenden Sträßchen diffundierte mit ihren baufälligen Hütten und scheinbar zwielichtigen Gestalten.

Piraten?

Die wollten am Ende eh nur Marihuana verkaufen und/oder zuviel davon selbst konsumieren, obwohl ein großes Schild auf der örtlichen Polizeistation mit aufmunternden roten Lettern verkündete, dass Drogen hier durchaus illegal sind und man nicht auf die gegenteiligen Einflüsterungen Einheimischer hören sollte, nicht einmal am Strand.

Jener war übrigens und scheinbar paradox ein bewegender Grund für mich, nicht zu lange auf diesem Betäubungsmittel induzierten Traum aus Kokosnusspalmen und Crab-Curries zu verweilen.
Für Hummer war leider die Saison zu Ende; pah, ess’ ich eben Pfannkuchen.

Geschwür

Aber stellt Euch das vor, um das einzige Stück Strand, das der letzte Hurrikan entblößt hatte, als er freigeistig und spontan die Insel zerteilte, um das einzige Stück Strand, weil alles andere war mit Mangroven und Anlegestellen zugekleistert, fällt denen also nichts Besseres ein, als rundherum um das einzige VERDAMMTE Stück Strand eine Betonmauer hinzuklatschen!

Ich wage mir nicht auszumalen, warum man so etwas tun will, geschweige denn, welch abgrundtief zermatschter mentaler Zustand sich für so etwas Widerwärtiges verantwortlich zu zeichnen vermag. Mein ganzer Zynismus reicht an dieser Stelle nicht aus, auch nur einen bissig schwarzhumorigen Grund für so eine ekelerregende Gemeinheit und Niedertracht zu ersinnen.
Dafür gab es einen Sprungturm und eine Holztreppe, die ins Wasser führte, hurra.

Trennung

Dazu eine Bar mit Chart-Rock wie aus den schlimmsten Alpträumen eines Radio Arabella-DJ’s auf Kokainentzug. Na gut.
Immerhin gab es einen schmalen Streifen im Anschluss an den „Split“, jenem natürlichen Kanal, der nunmehr die beiden Inselhälften voneinander trennte, der gerade breit genug war, dass man sich halbwegs darauf ausstrecken konnte, ohne mit dem Kopf unter die Räder eines Elektrobuggies zu geraten.

Das Wetter war recht wechselhaft, überaus windig und durchsetzt mit einigen heftigen Regenschauern, während derer es einmal sogar vorsichtig durch das hölzerne Dach in den kleinen Dornröschenturm unseres Peak Dorms tröpfelte.

Chez Bella

Ein gemütlicher und der Insel entsprechend entspannter Laden war das „Bella’s Backpackers“, in dem man trotz all dem zeitdehnenden Morast genau ausmachen konnte, wer in seiner Langsamkeit und Selbstvergessenheit zum Staff und wer zu den eher geschäftig sich räkelnden Gästen gehörte.

Als ich den dunkelhäutigen Angestellten mit kurzen Dreads beim Einchecken fragte, ob es Sinn macht, aufgrund der Saison ein paar Nächte im Voraus zu buchen, und er mich daraufhin gelinde fragend und verständnislos mit leerem Blick musterte, da wurde mir klar, dass ihm das alles schon viel zu schnell ging.

Gemach

Oh, er war durchaus kompetent und hilfsbereit, nur halt nicht in dem Moment. Man musste sich gefühlvoll und vorsichtig auf seine laaanggezogene Welle einpegeln – was in etwa den Großteil meines Aufenthaltes in Anspruch nahm.

Ähnlich war es, das junge Mädchen in den Morgenstunden beim Housekeeping zu beobachten. In vollendeter Tai Chi-Manier vollführte sie dekonzentriert einige Handgriffe, hielt inne, blickte glasig umher, hielt wieder inne, um sich zu vergewissern, setzte sich daraufhin erst einmal hin und zog ausgiebig an ihrem zartorange glimmenden Spliff, um dann gegen Mittag die Matratze fertig zu beziehen.

Wohin?

Geführt wurde der Laden von einer alternden Aussteigerin mit ledriger Haut und verbrauchtem Glück.
Ich kann mir nicht helfen, so verlockend und vielversprechend auch der Gedanke an ein eigenes Hostel vor meinem inneren Auge leuchtet wie ein vermeintlicher Ausweg aus allen Sorgen und Nöten, so sehr schreckt mich ein jedes Mal der desillusionierte und leere Blick ihrer in die Jahre gekommenen Besitzer ab, die mit hängenden Schultern die Tagesabrechnung vornehmen, weil sie nicht rechtzeitig abgesprungen sind.

Man selbst wird stetig älter und kommt an andere Kreuzungen im Leben, wohingegen das Publikum meist gleich jung in scheinbar ewigen Startlöchern steckt.
Wie dankbar sie war, wenn sie mal über was anderes als Schnorcheln und Speerfischen reden konnte, bevor sie wieder in ihren trübsinnigen Werkszustand verfiel.

An dieser Stelle male ich nicht einmal schwarz, weil das hat sie mir eben so gesagt: „Now, it’s just a job.“ Und sie kann Hostelworld und Tripadvisor ebensowenig leiden wie ich. Aber hilft ja nix, Bob, denn: the times they are a’changin’…

 

Mein Haus! Mein Dugout!…

 

Spoiler!

Abseits

Trotzdem geil

 

 

 

 

 

 

 

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