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Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Wind Of Change…
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Kauderwald

Ja, die Sache mit der Übersetzeranlage. Also, das war so.
Es wurde mithin die falsche Anlage ohne Kabinen und aufgrund von heftigen Regenfällen und Nebel verspätet aus Delhi geliefert.
Genauer gesagt am Abend vor der Konferenz.

Die Inder, durch ihre 22 Haupt- und einem ganzen Schwarzwald aus Nebensprachen durchaus mit Übersetzungsstrategien vertraut, hatten nämlich ein besonderes Sprachensystem auf‘m Schirm, mit dem sie hierzulande vorrangig arbeiten und für das die Anlage wunderbar ausgereicht hätte.

Anderes System

Das Problem war nur, das alle anderen ein anderes besonderes System auf‘m Schirm hatten, mit dem sie vorrangig arbeiten und das in dieser Situation leider Gottes auch notwendig war.
Aber dafür war die Anlage aufgrund der eben dargelegten Diskrepanz leider gar nicht ausgelegt. Da standen wir also um Mitternacht, einen Tag vor der Konferenz.

Die Anlage konnte noch nicht mal getestet werden, da das Mischpult in einem Raum eingeschlossen war, dessen Schlüssel mitsamt seinem Besitzer schon seit geraumer Zeit zu Bett gegangen war. Andarion verlangte fauchend, dass er geweckt werde, aber sowas tut man in Indien nunmal nicht. Da kann er noch so strampeln und zappeln und sich hochrot erbost die Haare raufen.

Andere Gepflogenheiten

Dementsprechend überschwenglich war das Chaos und der Lärmpegel im Übersetzerbüro am nächsten Tag:
Mikrofone mussten umgesteckt und weitergereicht werden, während man gleichzeitig darauf zu achten hatte, dass man von den Rattenschwänzen an Kabeln nicht erdrosselt wurde oder sich durch unbedachte Bewegungen wichtige Knochen brach… – Achja, ein Kabel war auch kaputt, was das Ganze noch um eine filigrane Stufe interessanter machte.

Kabel

Sprachen mussten nicht nur übersetzt, sondern für die Zuhörer im Saal in der gleichen Sprache nochmals eingesprochen werden, fragt nicht.
Wenn die Anlage versagte, musste man zur Not auf Mini-Radios umsteigen und sich wie in den Achtzigern fieberhaft auf Frequenzsuche begeben in der verzweifelten Hoffnung, dass das Trommelfell zerfasernde Rauschen irgendwann nachlässt.

Der Raum wie auch das Innere meines Kopfes glich einem unübersichtlichen Schlachtfeld; es wurde gerufen, geschrien, kommandiert und wild gestikuliert, ganz im Gegensatz zu der unheimlichen Stille in den Kopfhörern der Zuschauer.

Kampfschrei

Ich kam mir vor wie ein Rodeoreiter bei einem Filmdreh, nackt und ohne Schutz. Doch irgendwann stellten wir uns auf das ungewohnte „System“ ein, das Kabel wurde ausgetauscht und wir konnten tatsächlich einigermaßen verständlich dolmetschen.
Was für ein famoser Beginn!

Es sind diese amüsanten Episoden, die einem in der jeweiligen Situation die Gefäße gefrieren und das Blut spontan gerinnen lassen – in denen man hinterher jedoch mit stolzgeschwellter Brust und einem nostalgischem Flimmer über den wässrigen Augen genüsslich schwelgt; grade so, wie ich es jetzt tue.

Wind Of Change

Das schweißt natürlich zusammen. So saßen wir des Abends bei immer ein- und ausladenderen Kingfisher-Runden auf der Terrasse eines unserer Hotels beisammen, quasselten aufgeregt und sangen inbrünstig revolutionäre Bergarbeiterlieder, die alle außer mir auswendig konnten. Von „Bella Ciao“ bis „Santa Barbara“ waren sämtliche bittersüßen Kalauer gnadenlos am Start.

Ich denke, am Schluss kamen selbst beide Wine Shops in unserem Jagdrevier zusammen mit dem Nachfüllen ihrer Kühltruhen nicht mehr nach:

Klänge & Gesänge

Wegen Reichtum geschlossen. Oder besser:
Wegen weniger Armut.

Vorabend

Indien

Großartig

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