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Ehre

Als hochverehrter Msungu durfte ich in die Fahrerkabine, während sich es alle anderen auf oder zwischen dem Transportgut auf der Ladefläche bequem machten. Eigentlich wäre ich viel lieber dort gewesen und schaute sehnsüchtig nach hinten.

Die Konduktoren verstanden in der Hinsicht jedoch keinen Spaß. Ich war der Ehrengast: Du hockst Dich vorne in Deine Kabine und freust Dich! Meine verzweifelten Bedeutungsversuche, ich könnte doch dem ehrwürdigen alten Herren den Vortritt lassen, damit seine Gelenke es gemütlicher haben, wurden barsch und rundweg abgewiesen. T-hah, die Idee!

Der Truck

Natürlich waren sie vielmehr um meine Sicherheit und mein allumfassendes Wohlbefinden besorgt, da spielt das Alter keine Rolle.
Aber dieser Truck! Die Windschutzscheibe war ein Trümmerfeld, mein Seitenfenster eine Plastikplane. Als wir einmal über ein größeres Schlagloch holperten, ist das Gaspedal einfach davon geflogen!

Voll normal, der Fahrer warf es kurzerhand hinter den Sitz und fuhr ohne weiter: Adaptation. – Ganz ehrlich, es war scheißegal, wo ich saß. Sie hätten mich auf einen goldenen Thron spannen oder um die Antriebswelle wickeln können, der Karren wurde sowieso nur vom Willen und den Gebeten der Fahrgäste zusammengehalten.

Halbe Strecke

Am Ende half das aber alles nichts. Irgendwo auf halber Strecke blieb die Schrottkiste liegen. Sie vermuteten eine verstopfte Dieselleitung, aber es hätte genauso gut sein können, dass der Motorblock zu Staub zerfallen wäre.

Das wäre denen nämlich nicht aufgefallen, weil ihre Mechaniker-Kenntnisse in etwa so tiefgreifend und ausgefeilt waren wie meine. Sie hüpften um die Motorhaube, gestikulierten viel und schlugen ab und zu mit etwas, dass nach einem Werkzeug aussah, gegen etwas anderes im Inneren, und es machte „DOING!

Astronauten

Sie haben mich gefragt, ob ich mich mit Autos auskenne…
Teh, genausogut hätte man einen Astronauten fragen können, ob er was von Topfpflanzen verstehe. Oder einen Politiker von Demokratie. – Aber lassen wir das.

Ich musste mir so dermaßen das Lachen verkneifen, wie er da vor mir stand, ganz betreten und kleinlaut.
Während der fruchtlosen Reparaturversuchen unterhielt ich mich angeregt und unter viel Gelächter mit den Fahrgästen und versuchte ihnen zu erklären, wie das Leben in Deutschland so rennt, während die Sonne sich langsam dem Horizont entgegen neigte.

Mond

Oder ich unterhielt die Kiddies der umliegenden Siedlungen mit kleinen Fingertricks à la „Abgetrennter Daumen“ oder so. Mir war zuvor bereits aufgefallen, dass die Kleenen voll drauf abfuhren und sich vor Gekicher und Gegluckse gar nicht mehr einkriegen konnten, wenn ich damit anfing.

Es dauerte aber nicht lange, und mir gingen die Unterhaltungsmöglichkeiten aus. Da war ich ganz verzweifelt, denn da standen sie, voller Erwartung und Vorfreude und Augen wie der Mond. Ich hätte mir eher die Nase abgebissen, als sie in dem Moment zu enttäuschen!

Gleichgewicht

Einer Eingebung nachgebend verfiel ich kurzerhand auf einige Yoga-Übungen, von denen ich mir erhoffte, dass sie besonders komisch und albern aussahen. – Mein Gott, ihr hättet das sehen sollen! Der Tumult, der sich in der Folge entspann, ihr Lachen und ihr Kreischen, das ging schon fast in Richtung Elvis oder Beatles, ohne Scheiß.

Wir veranstalteten solch ein Gelage, dass sich sogar immer mehr der Erwachsenen von den glücklosen Reparateuren entfernten und sich zu meiner Show gesellten. Mei, why not, war ja schießlich umsonst.

Vor allem so sonderbare Positionen wie der Pfeil oder der Adler, wo man gehörig um sein Gleichgewicht kämpfen musste, hatte es meinem Publikum angetan. Ja, sie waren so mit- und fortgerissen, dass sie versuchten, die Übungen nachzumachen. Und zwar nicht nur die Kinder, sogar einige der Erwachsenen waren voll mit am Start!

Sankt Nimmerlein

Lachten sich dabei so krumm wie ihr zappelnder Körper, während sie schwitzen mussten und sich abmühten: Willkommen zum „Wayside Yoga – On the Road to Knowhere.
Das war so genial. Sooo genial! Und weltweit sicherlich einmalig in der Menschheitsgeschichte, keine Frage.

Aber ach, nach ungezählten Anschiebeversuchen, die Zündung war mittlerweile auch am Arsch, ließen sie es dann sein, und wir fügten uns in unser Schicksal: Gestrandete waren wir im Sankt Nimmerleinsland, ohne Aussicht auf Errettung.

Keine Spur

Nun, das klingt zunächst einmal wie ein ordentliches Desaster, nicht wahr.
Doch seht, von Schimpfen und von Zetern, von Jammern und Verzagen keine Spur bei den Leuten!

Stellt Euch mal ein Rudel Deutscher in so einer Situation vor. Jesses, die hätten sich vor lauter Empörung und heiligem Zorn wahrscheinlich zu einer Neutronendiva verdichtet, das Lodern ihrer lanzenähnlichen Augen wie ein kreischender Pulsar in der Stille und ewigen Finsternis des Universums.

Schön

Nichts da, ein paar Genossen sammelten kurzerhand etwas trockenes Holz und entfachten mitten auf der Straße vor unserem LKW ein schönes, knackselndes Lagerfeuer, ehe die Nacht hereinbrach. Drum herum wurden Bastmatten ausgelegt, so dass wir es uns gemütlich machen konnten.

Jeder brachte seine Wegzehrung mit und legte sie in die Mitte, so dass wir alle miteinander teilen konnten. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass die solcherlei spontane Rasten wohl schon gewohnt und darauf vorbereitet waren.

Mampfen

Wir mampften genüsslich einige „Kassavas“, eine Art Wurzel, die ganz leicht nach Kokosnuss schmeckt, und lutschten an geschältem Zuckerrohr. Dazu gab es ein wenig mitgebrachtes Nshima sowie getrockneten Fisch.

Wisst Ihr, und ich, der reichste und wohlhabenste Robinson von allen, ich blöder Trottel hatte nur zwei Kekse und einen Apfel dabei! Eh, ich kam mir so bescheuert vor.
Immerhin, eine abgesehen davon durchaus respektable und sittsame Dame riss sich den quasi
sofort, ohne zu zögern, vor Gier unterlaufenen Augen und schneller als das Licht, unter den Nagel.

Löchern

Alle waren glücklich und satt, zu Handy-Musik wurde am Abend getanzt und gelacht.
Lachen gehört sowieso immer dazu, egal was man macht. Sie löcherten mich weiterhin und unablässig mit Fragen nach dem sagenumwobenen Europa, und was um alles in der Welt ich dort bei ihnen wollte.

Darüber hinaus durfte ich alle mit Autan versorgen, um die lästigen Moskitos abzuwehren, und fühlte mich dementsprechend nach meinem kulinarischen Mega-Fail wieder etwas besser. Und nützlicher.

Dergestalt nickten wir schließlich unter einem mondbeschienenen Sternenhimmel auf unseren Bastmatten liegend selig ein, während das Lagerfeuer emsig flackerte. Adaptation. – Ich meine, realer kann das Leben echt nicht sein. Was für ein Glück, dass ich so ein Pech hatte!
Aber das war nicht das Ende.

Gute Nacht

Siedlung

 

 

 

 

 

 

 

Verzagen

Umliegend

Knowhere

 

 

 

 

 

 

 

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