Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Planmäßig gestrandet…
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Vielleicht ist es nun an der Zeit, etwas auszuholen, auf eine Art Meta-Ebene zu steigen und von dort aus einen Blick auf unser sonderbares Treiben zu werfen; ganz ähnlich wie ich die Aussicht auf das Tal des Rio Hondo genoss zu dem Zeitpunkt, nur wenige Tage vor dem Übergang in ein neues Jahrzehnt:
Das Anwesen, auf dem ich mich nun befand, wurde vor fünfzehn Jahren von unserem Schamanski in weiser, und manch einer würde sagen, beinahe übersinnlicher Voraussicht gekauft und sieht in der Fläche aus wie ein riesiges Herz, das sich gemütlich in den Hang lehnt. Das konnte man so aber nicht sehen, da wir noch keine Drohne hatten. Ich weiß nicht, gibt es die schon offline?
Wahrscheinlich. Wahrscheinlich macht der Satz nicht einmal Sinn, jedenfalls, um es sehen zu können, waren wir nicht weit genug davon entfernt, und lieber mittendrin. Im Herz.
Hach, das ist alles so doppelgründig und tiefbödig, da wird mir ganz flau in der rechten Hirnhälfte. Aber egal.
Sehr schön war es da, inmitten von Bäumen, Kiefernadeln und allerlei Gebüsch, das aber nach und nach, leider ganz unromantisch mit Macheten und je nach Gemüt trotzdem liebevoll und bewusst, abgeerntet werden muss, um Platz zu machen für einen etwaigen postzivilisatorischen Spielplatz.
Und ja, wir singen dazu Kumbaya aus Leibeskräften, nicht nur der Form halber, sondern um so niederträchtigen Zynikern, wie ich es einer sein kann, einmal ordentlich in die Visage zu spucken!
So ähnlich wie damals die afrikanischen Sklaven auf den Baumwollfeldern, nur dass dieses Mal die Pflanzen hoffentlich die einzigen Leidtragenden dabei sein werden.
Das macht übrigens enorm Spaß! Zum ersten Mal in meinem Leben durfte ich mich durch eine lebende Hecke hacken, mit Ast und Stiel!
Gut, ich spielte zumeist nur die zweite Geige hinter meinen schweißgetriebenen Vorarbeitern, die etwas weiter vorne wirklich Kleinholz machten und breite Breschen schlugen und die allenthalbene Wildnis wenigstens für ein paar Monate zähmten.
Ich kam eher so nach wie ein versonnen hüpfender Wissenschaftler mit seinem Schmetterlingsköcher und hieb mal hier, mal dort anmutig nach einem Stengel, oder schwang in einem galanten Ausfallmanöver nach einem bereits getilgten Brombeerstrauch und musste höllisch aufpassen, dass ich mich dabei nicht selbst erstach.
(Für meine Oma: Selbstverständlich würde es mir nie in den Sinn kommen, solch eine unverfrorene Leichtsinnigkeit zu begehen! Ich hatte in Wirklichkeit wie immer den Zug genommen.)
Aber es war glanzvoll und ein leuchtender Stern am Himmel meiner bisherigen Erfahrungen! In einem meiner letzten Leben muss ich wahrhaftig ein großartiger Fechter gewesen sein: Luke Skywalker gekreuzt mit Lancelot sowie vielleicht ein Schuss D’Artagnan, aber nur ein bisschen! Für den Flavour.
Das ganze herzhaft eingelegt in einen schottischen Highlander mit Hypochondrie und der Adrenalinausschüttung eines depressiven Trockenschwamms, und ab in den Ofen der Seelenzeit.
…Ganz ehrlich, ich habe keinen Schimmer, was ich da jetzt schreibe. Irgendwie gerät es mir abhanden und außer Kontrolle.
Und all das nur wegen einem Messer im zentralamerikanischen Dickicht. Seht Ihr, wie schnell so etwas aus dem Ruder laufen kann? Macht das bloß nicht Zuhause! – Schreiben, meine ich.
Neinnein, in Wirklichkeit Macheten sind größtenteils harmlos; wie unser Planet.
Eigentlich wollte ich ja das Projekt beschreiben. Hmhm. – Also gut, versuchen wir es noch einmal. Das Stück Land kuschelt sich also ansehnlich und liebreizend in Oaxacas Berge und fiel naturgemäß steil ab, was erst einmal nervt, aber auch nur, wenn man bergauf pinkeln will.
Ansonsten war die Aussicht wirklich sagenhaft. Ganz oben entstand bereits das Restaurant der Posada (Herberge) mit Blick auf zukünftige und potenziell üppige Gartenterrassen und damit im Wortsinn auf das, was einem hernach auf den Tisch kommt.
Dort legten wir in den ersten Tagen sogar kurz Hand an und hievten im Schweiße unserer vergeistigten Angesichte schwere Balken auf äußerst grobstoffliche Mauern, quasi Hals über Kopf.
Dazu balancierten wir auf mexikanisch überaus sicheren Gerüsten, die aber einem jeden deutschen Sicherheitsbeauftragten das Blut in den Adern gerinnen ließen und seinen Helm vom Schädel spalten würden, aber auch nur, weil der arme Trottel es nicht besser weiß und kein Vertrauen ins Leben hat. Tsheh.
Dann war aber Schluss, genug ist immerhin genug, denn wir mussten ja noch einen druidischen Steinkreis bauen für die Zeremonien!
Prioritäten sind wichtig im Leben, und außerdem hätte Chepe, des Schamanen Vertrauter und Vorarbeiter, uns sowieso nicht mehr auf die Baustelle gelassen, weil er mit seiner neuen Makita-Hobelmaschine spielte wie ein Kind, das soeben das neue Piratenschiff von Playmobil zu Weihnachten bekommen hat.
Vollkommen aufgelöst und glücklich war der, aufgefahren in den Himmel.
Bis dahin wird es tatsächlich nicht mehr weit sein von da oben; meint man zumindest. Die Luft wurde bereits merklich dünn, das merkte ich vor allem dann, wenn ich nach dem Duschen beim Ziehbrunnen (#awesome!) wieder hechelnd nach oben watschelte, um einen zweiten oder dritten oder vielmehrten Kaffee zu trinken.
Das war ja auch so genial! Wie früher. Zumindest stelle ich mir das so vor. Mitten in der Natur machte ich mich pudelnackig, ließ einen großen Kübel aus Zinn oder Blech oder Aluminium, egal, sieben Meter nach unten, und zog ihn an einem leuchtend gelben Seil wieder nach oben, um mir das fantastisch kühle und erstaunlich saubere Nass über die Binde zu gießen, und dabei mit der Sonne um die Wette zu grinsen.
Ein ganz famoser Spielplatz für verwaschene Zivilisationsflüchtlinge, die während dem Abtrocknen danach schon wieder den Zittrer bekommen, weil sie schnell ins nächste Dorf müssen, um in Abuelitas Haus ihre neuesten whatsapp-Nachrichten zu filtern und eine Quattro Staggioni mit Chia-Wasser hinunterzuspülen.
Der Laden hieß grade so: „Casa de la Abuela“. Sehr zu empfehlen, denn es gab großflächige Steckdosensysteme sowie einen kleinen Souvenirladen mit Ketten und geschmackvollem Krimskrams, in den man sich vertiefen konnte, während das wifi lud.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht