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Also. Wie ist das jetzt mit diesen Gefühlen?
Recht spontan tauchen sie auf, ziemlich mühelos wie es scheint, und mittlerweile haben wir uns an sie gewöhnt. Ob man jemanden, etwas mag oder nicht mag, ob man sich gerne als Opfer oder als den Angreifer begreift, ob man ver-liebt ist oder hasst: wir kennen sie alle, sehr leicht fallen sie uns zu. Und wir fühlen uns behaglich und zu Hause mit ihnen, weil wir uns so sehr an sie gewöhnt haben. Nun, ich zumindest.

Aber nichts zu fühlen – absolut rein gar nichts – völlig leer und blank zu sein – das erscheint doch eher schwierig und mühsam. Allein der Gedanke daran, nicht von ihnen abhängig sein zu müssen, kommt mir vor wie ein unüberwindbares Gebirge, übersät mit gefährlichen Steilklippen und gähnenden Abgründen, die mir den Kehlkopf springen lassen wie einen nervösen Tennisball auf Baldrianentzug.

Allerdings kosten all diese Gefühle Energie, die letzten Endes futsch ist, und die meiste Zeit bin ich ihnen hilflos ausgeliefert.
Wenn ich mich also wahrhaftig von unnötigen Gefühlen (so es diese überhaupt gibt) befreien könnte, dann würde das bedeuten, dass ich im Leben tendenziell mehr Energie zur Verfügung hätte. Mehr Energie für Gesundheit, Jugend und die liebe Schönheit.
Vielleicht wird deswegen so manch ein kettenrauchender Armleuchter ungezogen, ja fast schon abstoßend alt, obwohl er sich kaum um seinen eigenen Körper schert, sondern ihn vielmehr im Alkohol und im Fett seiner Festgelage ertränkt.
Vielleicht weil er… frei ist?

Halt stopp, das bedeutet aber nicht, dass man überhaupt keine Gefühle haben sollte. Zumindest an diesem Punkt unserer Entwicklung hat es den Anschein, als ob sie nur menschlich, natürlich und damit notwendig seien. Und mit Sicherheit von Bedeutung, denn immerhin sind wir keine bekackten Vulkanier, richtig?

Frei zu sein bedeutet, sie zwar aufrichtig wahrzunehmen und sie zu würdigen, sich jedoch nicht in negativer Weise von ihnen beeinträchtigen zu lassen und ständig über die unheimlichen Seemannsknoten im eigenen Bauchchakra nachzugrübeln. Dergestalt werden sie nur gefüttert, was wiederum neue Gedanken produziert, und siehe! Der Teufelskreis schließt sich.

Frei zu sein bedeutet, keine zusätzliche Energie in Emotionen zu stecken und sie stattdessen für wichtigere Dinge zu verwenden. Zum Beispiel um Dinge zu erschaffen. Manche Leute glauben ja allen Ernstes, dass darin unsere Bestimmung liegt, ist das zu glauben?

Es bedeutet wiederum nicht, dass man im Leben deswegen keine Freude haben kann. Man muss nicht ständig etwas mögen oder mit Leidenschaft handeln, um glücklich zu sein. Manchmal ist es gerade das nicht, weil man sich gleich wieder darauf fixiert wie ein Junkie auf die Nadel.

Wiederum, je leidenschaftlicher ich im Leben bin, desto mehr Energie verbrauche ich. Und das ist eh voll in Ordnung, wenn das denn mein Weg ist. Aber es kann mein Leben enorm verkürzen, wenn ich nicht weiß, wo ich meine Batterien wieder aufladen kann.

In meinem Fall könnte das zum Beispiel Meditation sein.
Ich sage „könnte“, weil manche Menschen – und da nehme ich mich beileibe nicht aus – denken oft von vornherein, dass sie sowieso dabei versagen, während sie sich noch verzweifelt darum bemühen, sich darauf zu konzentrieren und aber ständig das Gefühl haben, von etwas abgelenkt zu werden. Man kann die Ablenkung einfach in die Meditation einbauen und ja, das geht.

Deswegen ist es grundegal, wenn dann beim Üben aus den unsäglichen Tiefen des Unbewussten ein Gedanke oder ein Gefühl entsteigt, wer weiß, vielleicht hilft’s stattdessen sogar. Aber es macht sehr wohl was aus, wenn ich darauf herumreite wie ein Rodeo-Cowboy mit Hornissen im Schritt. Wenn ich zum Beispiel von ihnen mitgerissen werde und anfange, sie beurteilen, bewerten und dergestalt mit zuckerbunten Emotionen glasieren zu wollen, damit sie schön aushärten können.
Dann fährt der innere Teufelskreis seinen verfluchten Reaktor nämlich wieder hoch und frisst und saugt Energie, dass es sogar der alten Ungolianth grausen muss.

Oder ich vergehe in der Überzeugung, eine geheiligte Session vershizzelt zu haben: Scheiße! Ich hatte einen Gedanken! Scheißescheißescheißescheiße…
Schon mache ich mir Vorwürfe und verliere dadurch abermals Energie. Hals über Kopf klebe ich an der Vergangenheit wie eine Fruchtfliege mit Diabetes Typ 2 im Marmeladenglas. Nur weil ich über einen Gedanken, den ich just vor einem Moment, vor einigen Minuten oder einer halben Stunde hatte, immer noch nachdenke.
Unser Verstand ist in der Tat ein kniffliges und darüber hinaus recht launisches Werkzeug.

Denn genau an diesem Punkt negiere ich den eigentlichen Sinn und Zweck einer Meditation, der doch darin bestand, mich endlich aus dem Sumpf meiner Vergangenheit und etwaigen Zukunft heraus- und in den Augenblick, ins Hier und Jetzt zu beamen, indem ich ihn bewusst wahrnehme, indem ich ihn anschaue und beobachte, mit allem, was darinnen ist. Indem ich – bin.

Immerhin ist es der einzige, den wir alle wirklich erleben und erfahren können.
Deswegen ist es wirklich nicht wichtig, ob ein Gedanke auftaucht oder nicht – aber es ist wichtig, ihn wieder loslassen zu können, nachdem man ihn angeschaut und gespürt hat, sich davon zwar nicht beeinträchtigen lassen, seine Existenz aber voll und ganz zu anzuerkennen. Zu… lieben.

Und so kann aus einer solchen Erfahrung ein tiefgreifendes, ureigenes und umfassendes Glücksgefühl erstehen, ein Gefühl heilloser Freiheit, das alles durchdringt.
Eine Erfahrung der Liebe im Sinne einer vollkommenen, doch gelassenen Offenheit gegenüber allem, was existiert, mit all dem zufrieden zu sein, ob es nun gut oder schlecht, positiv oder negativ erscheint…
Tja, ich denke, es gibt nichts, was imstande wäre, dem auch nur annähernd gleich zu kommen.

Wenn wir innerlich sogar das akzeptieren können, was wir gemeinhin unter dem Bösen verstehen: Hass, Gewalt, Gier und all diese Gesellen, die mit der Finsternis und der Zersetzung im Bunde sind. Alle diese Dinge zu akzeptieren, indem wir verstehen lernen, dass sie uns etwas zeigen, auf etwas hindeuten wollen, das in uns noch nicht befriedet worden ist. Ja, wir können tatsächlich von ihnen lernen, wenn es denn soweit ist. Und es gibt für alles die richtige Zeit und den richtigen Moment.
In Wirklichkeit brauchen wir diese Krisen, um zu weiter zu kommen und uns als menschliche Wesen zu ent-wickeln. Jeder Fehler führt zu irgendwann zum Erfolg.
Um zu guter Letzt menschlicher, menschenwürdiger werden zu können.

Und nochmals, die Dunkelheit zu akzeptieren heißt nicht, dass man nicht für das Licht und um eine bessere Welt kämpfen kann. Ist doch nicht schlecht und kann nicht schaden, warum also nicht? Außerdem kann man schlecht gegen etwas kämpfen, wenn man ihm keine Existenzberechtigung zubilligt, oder?
Und in dieser, unserer Welt der Dualität MUSS es existieren. Denn ohne das Böse kann man ja nicht wissen, was gut ist. Ohne Dunkelheit kein Licht. Und wie zum Henker sollte man nach Westen gelangen ohne den Osten? Das sind nun alles Klassiker und beileibe keine intellektuellen Hexenwerke.

Wenn ich das Böse aufrichtig los werden will, so muss ich in der Konsequenz auch das Gute verwerfen, und damit die gesamte Welt der Dualität, was das betrifft.
Und das, meine lieben Freunde, nennt man gemeinhin
Nirvana: das Einssein mit dem Schöpfer, der Urquelle, der unaussprechlichen, unverstehbaren kausalen Kraft, die aus dem Nichts… Alles erschuf.
Wenn man solchen Dingen Glauben schenken mag. – Oder sollte es nicht besser heißen: Vertrauen schenken? Statt (blindem) Glauben?