Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Sie haben zu gierig…
———————————————–
Vielleicht war es zu Beginn auch jene traurige Erinnerung an die Vergangenheit gewesen, deren melancholischen Windhauch ich in den Gässchen und Straßen zu spüren glaubte. Es schien ein vergessener Ort zu sein, alt und gebrochen, der mich dort empfing.
Demnach war es für junge, aufstrebend humanistische Backpacker aus ehemaligen Kolonialherrschaftsländern auch eine vorzügliche Bühne für moralische Diskussionen und Dilemmata rund ums schlechte Gewissen. Bald rauchten uns die Köpfe, ob wir nun an den dort angebotenen Touren in und durch die Minen, die anscheinend von aktiven Bergarbeitern geführt wurden, teilnehmen sollten oder nicht.
Gäbe es denn die Möglichkeit, dass wir durch unseren bescheidenen Obolus und Beitrag das harte Los der lokalen Miñeros tatsächlich etwas zu lindern vermochten? Nicht wahr, könnte eine derart inifinitesimale und offenbar nur symbolische Form der Wiedergutmachung überhaupt gewertet werden?
Oder wäre es vielmehr nur eine neue, ins Gewand scheinbarer Menschlichkeit gekleidete Perversion alter Ungleichheiten, die lediglich im Sinn hätte, diese fortzuführen und zu zementieren?
Oh je, das waren heikle Angelegenheiten und keine leichte Sache. Während die anderen aus meiner Gruppe sich letzten Endes dazu entschieden, an einer solchen Zurschaustellung von Armut und Plackerei teilzunehmen, brachte ich es wiederum nicht über mein schweres Herz.
Vor allem, wer würde denn unser Geld am Ende wirklich einstreichen, die Guides oder wieder nur ein neuerlicher Sklaventreiber, der sie mit der alten Silberpeitsche in der Hand im Ring herum scheucht?
Immerhin, die Tour sei durchaus interessant und faszinierend gewesen, und sie seien am Ende mit einem guten Gefühl im Bauch wieder aus den Bergwerken hervor gekommen. Entgegen der Angaben im Film würden die Arbeiter in der Zwischenzeit ganz anständig verdienen, hieß es dort.
Naja, Bas meinte, er kam sich trotzdem vor wie beim „monkey watching“.
Das also wussten meine Kompagnons zu berichten und mei, richtig kann man es in so einer Situation wahrscheinlich eh nicht machen.
Das beschäftigte uns zutiefst und vertrieb die Zeit, solange wir im „Koala Den“ übernachteten und mit anderen Opfern derart philantropischer Zwangssituationen debattierten.
Im Gegensatz zur historischen Schwere und Gravität der Stadt war dies ein lustiges und irgendwie verschachteltes Gebäude, das mir wie zusammengewürfelt vorkam und in dessen Winkel und Ecken sich die Dorms und Privatzimmer des Hostels versteckten. Es wirkte schäbig, aber cool, und dabei verspielt. Es sollte so sein.
Doch herrschte an jenem Ort auch seine seltsame Düsterkeit, so als ob der überwältigende Odem der Stadt versuchte, durch sämtliche Ritzen, alle Spalten zu kriechen, um auch die kleinste Nische mit einer Atmosphäre der Betrübnis und Vergeblichkeit zu durchweben.
Einige der anderen Gäste schienen mir wenig sympathisch und eher abweisend, aber ich weiß nicht, ob es daran lag oder wirklich an ihnen selber. Anstatt also ihre Nähe zu suchen, machte ich mich lieber auf und besichtigte den örtlichen „Mercado Central“ sowie ein paar der mannigfaltigen Kirchen.
Außerdem kaufte ich mir, in absteigender Reihenfolge ihrer Bedeutsamkeit: ein Handtuch, etwas Klopapier und Coca-Blätter. Das zugehörige Turbolader-Extrakt dort schmeckte aber scheiße. Ganz anders nahmen sich dagegen die endemischen Grillhendl aus: fast wia dahoam.
Ich war wirklich nicht in Topform. Ein paar mehr Kirchen und vielleicht das eine oder andere Museum wären schon noch drin gewesen, und das grämte mich und formte sich in meiner Magengrube zu einem zerrenden Bollen aus schlechtem Gewissen.
Bescheuert, ich weiß. Aber mei, ich war jung und brauchte die innere Bestätigung.
Immerhin, für Mike knüpfte ich pflichtbewusst Kontakte zu einigen der ansässigen Hostels, die mir mithin cool genug erschienen, dort seine Flyer ausstellen zu lassen.
Ja, das man muss schon feinsinnig aussieben, schließlich will man doch nicht jeden Krattler und daher gelaufenen Sandler zu sich ins Haus holen. Das bringt doch nichts.
————————-
Bitte umblättern: …
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht