Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Bewegende Ruhe…
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Das war ein schöner Ausflug. Nur vergaß ich eben genau an jenem Tag meine Sonnencreme, so dass ich meine Haut beinahe hätte trocknen und in die Ecke stellen können, nachdem sie sich großzügig abgeschält hatte ähnlich wie die einer Schlange.
Auf der anderen Seite der Bucht gab es ebenfalls einen Felsvorsprung, von dem aus man gerade noch so den Sonnenuntergang über dem Meer beobachten konnte. Echt, weil das sah so aus, als ob sie eine weitere Landzunge in der Ferne wie haarscharf rasierte, bevor sie endlich im Meer versank. Den Pelikanen gefiel das auch.
Aber ganz ehrlich, wäre diese treffliche Gesellschaft und darüber hinaus das fantastische all-you-can-eat Buffet in einem kleinen Laden auf der Hauptmeile nicht gewesen, hätte ich es in Puerto Escondido aller Wahrscheinlich nach nicht so lange aushalten können.
Alter, das Essen dort war aber auch geil! Selbst wenn sie mir nur trockenen Reis vorgesetzt hätten, hätte mich kein Nobelrestaurant und kein Zwiebelrostbraten der Welt davon abhalten können, dort hineinzugehen. Es ist mir ein Rätsel, wie man einfache Reiskörner derart schmackhaft zubereiten kann, Hammer.
Die begnadete und außerdem recht fesche Köchin war leider die Ehefrau und Mutter einer kleinen Familie, die erst vor zwei Wochen aus Mexico City nach Puerto gezogen waren, und ich weinte und schämte mich für meine Eifersucht.
Obwohl, nein, das stimmt nicht. Damit wollte ich jetzt nur falsche Sympathie heischen, denn ich fand meinen Neid, ebenso wie die soeben besprochenen Ängste, vollauf nachvollziehbar, mehr noch: gerechtfertigt, so muss es heißen. – Ja. Ja, das kommt hin.
…Jesses, war das alles lecker, mmmhm!
Nur, über die Früchte und den Yoghurt hatten sie immer so eine böse Plastikfolie gespannt, und zwar dermaßen stramm, dass man sie fast nicht wegbekommen hätte, ohne dabei mutwillige Zerstörungen anzurichten. Aber was soll ich machen, anstatt dessen verhungern? Alles, was recht ist.
Das war also nicht so praktisch, da müssen sie sich noch was einfallen lassen.
Zu der Zeit ernährte ich mich ja überwiegend, abgesehen von Zwiebelrostbraten zum Beispiel… Ooah, mit so einer herzhaft sämigen Soße und, und Bratkartoffeln, schön resch angebraten im Griebenschmalz… und mm- egal. Was? Genau, vegetarisch.
Allerdings hatten sie ins Rührei feinwürzige Chorizo-Stücke getan, angemessen verteilt und, das war mir also scheißegal. Die waren eh so klein, dass sie sogar von Nano-Partikeln übersehen worden wären, von daher.
Nein, jetzt haltet mal den Rand, es gibt Situationen im Leben, da machen Prinzipien und Regeln weder Sinn noch wären sie der Gesundheit zuträglich. Alles andere verhärtet sich und wird zwanghaft, das gibt dann die verkniffenen Gesichter im Alter und den grimmen Tunnelblick, die man in Deutschland oft so schön bewundern kann.
Für die Piraten um Jack Sparrow, Captain Jack Sparrow um genau zu sein, waren das ja auch nur sowas wie grobe Richtlinien, an die man sich schon halten konnte – wenn es denn opportun erschien. Und die verstanden ihr Handwerk, keine Frage, und historisch wurde das in dem Film bestimmt adäquat recherchiert, davon bin ich fast restlos überzeugt.
Wirklich, aber dieses sture Festhalten an Disziplin und strengen Abläufen, das ist kein doch Leben, das ist der Tod.
Und der kommt von ganz allein und zur opportunen Zeit.
Aber wie gesagt, abgesehen von gewissen Rahmenbedingungen war ich von Puerto eher so semi-überzeugt. Ich muss allgemein zugeben, dass mir die zentralamerikanischen Strandorte, die ich bisher kennengelernt hatte, nicht vollends zusagen, oder immer so mit einem irritierten Schnaufen. – Nee, das ist mir nicht das Wahre.
Die sind schon nett und alles, aber mit denen in Süd- und Südostasien können die niemals mithalten. Da fehlt mir oft einfach der Bambushütten-Faktor, den ich oben beschrieben hatte, und ja, ich bin ein verwöhntes Arschloch, das kann ich locker so akzeptieren.
Na, der Fischerhafen war schon cool. Der verbreitete um sich herum so einen abgefuckt verruchten und irgendwie einen Trickster-Vibe, geschminkt einer bröckelnden Patina aus obszöner Dekadenz und Verwesung, wie ein Edelbordell, das seine Glanzzeiten hinter sich hatte und mittlerweile aber so sehr zum gesellschaftlichen Inventar gehörte, dass es sich um reine Äußerlichkeiten nichts mehr schiss.
Das Quartier kam mir so vor wie die Puffmutter der Stadt, mit der man sich besser nicht anlegte. Weiter drüben die Großkopferten, hinten die Surfer, und jeder trieb so sein Ding, ohne von den anderen groß Notiz nehmen zu müssen oder ihnen in die Suppe zu spucken, denn es waren ja genug Buchten für alle da.
Fair enough.
Obwohl… zwei, drei Tage hätte ich vielleicht schon noch dran hängen können, da mir eben dazumal bewusst wurde, dass ich am Ende wirklich zu wenig Zeit für mich und mein Ding hatte und dieses schmerzlich vermisste. Nicht einmal eine Woche, und dann musste ich schon wieder zurück in die Heimat fliegen, einfach so!
Nix mit noch groß das Land angucken und Kultur kennenlernen und all der Scheiß, die Zeiten sind vorbei. – Nein, natürlich nicht, aber bei dem Trip war es halt so.
Und sorry, aber Teotihuacan war Pflicht, das hatte ich beim letzten Mal schon nicht geschafft, da führte also keine Uferpromenade daran vorbei.
So war es in der Tat. Noch nie hatte ich auf einer Reise so wenig Zeit für meinen Tanzbereich, nicht einmal in Südindien, wo ich geschlagene zwei Wochen lang mit lauter linken Hardcore-Krawallmachern durch die Stadt marschiert bin und rote Fahnen geschwenkt hab’, bis die Locals alle ganz damisch geworden sind von dem merkwürdigen Spektakel.
Mein erstes Tagebuch hatte ich vor lauter sozialem Stress glatt oben in San Mateo liegen lassen, und das neue fiel sogleich in eine tiefe Seinskrise und fragte sich ganz verzweifelt und deprimiert, wieso es überhaupt auf die Welt gekommen und was denn der Sinn von alledem sei.
Das war ganz schön übel. Aber warum sollte es ihm besser ergehen als mir?
(In Wirklichkeit ging es mir doch so gut wie schon lange nicht mehr, das hatten wir ja grade erst besprochen. Aber das habe ich ihm natürlich nicht gesteckt, erst später.)
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht