Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Get up…
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Doch zurück auf meine kleine Insel: Da es also überaus mühsam, und wenn überhaupt möglich, mit erheblichen Kosten verbunden war, von A nach B zu kommen, verschanzten wir uns hübsch hinter unseren Aschenbechern, saßen die Chose aus und warteten ab, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Innerlich checkte ich bereits aus und bereitete mich seelisch und moralisch auf meine Heimreise vor, während Nica Libres über den Tresen wanderten und die Würfel weiter rollten.
Leute kamen und gingen, vor kurzem verirrte sich eine junge Partycrew hierher, die Stimmung änderte sich. Auf einmal fühlte ich mich abgeschnitten, ungewollt, die schöne Verbindung zu den Volos schien sich totzulaufen. Alles war nur noch eine leere Hülle, ähnlich wie während meiner letzten Zeit im wombat’s.
Alles verwest, auch ich. Ich kann es nicht mehr leiden, wie im Traum ständig durch Spinnweben zu tapsen, bin rastlos, gereizt, verärgert – ich muss hier weg.
Hier ist nichts mehr für mich, war es in Wirklichkeit nie. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr auf dieses Land, noch auf das ständige Geseier der Latinos:
ich muss hier weg.
Doch hing ich seltsam in der Luft, wartete.
Das war im Grunde auch nichts Neues. Ähnliche Effekte kannte ich von früheren Reisen kurz vor dem Rückflug: Ventile gehen auf, die Contenance bröckelt, Langeweile und Überdruss halten Einzug.
Und dann wieder so ein wunderbarer Moment. Ein Moment des Fließens, des Wogens, der Energie, als ich -wiederum nicht zum ersten Mal- erkannte, dass es nicht das Ziel sein kann in einer dualen Welt, glücklich zu werden oder gänzlich in Frieden zu leben, sondern vielmehr Frieden zu schließen mit dem Leid, der Angst und dem Tod, der Gewalt, den Sorgen und der Unsicherheit.
Wenn es einen Weg gibt zu so etwas wie Glück, dann diesen. Denn die Welt wird Schmerz immer für uns bereithalten; und es fällt mir überhaupt nicht leicht, mich mit einem so furchtbaren Gedanken anzufreunden.
Im Gegenteil, soviel Widerwillen verspürte ich schon sehr lange nicht mehr, ja, vielleicht liegt dort sogar der Urgrund aller Abwehr.
Ständig war und bin ich deswegen auf der Suche nach anderen Pfaden zu Ausgeglichenheit und Freude, zum Beispiel durch Eliminierung, Ausmerzung, Umgehung oder Neubewertung negativer Gefühle. Ständig will ich sie verändern und transformieren, auf dass der Schmerz weg gehe und das Leiden ein Ende habe.
Einfacher wäre es, den Wind zu fangen und damit unliebsame Gedanken zu verscheuchen. Darum kann es nicht gehen. Der Sinn muss vielmehr darin liegen, all diese Erfahrungen zu machen, zu durchleben, zu verarbeiten und Gebetstrommeln gleich wieder in die Welt hinaus zu schicken und sie -wie so oft- zu akzeptieren.
Wie ich dieses Wort mittlerweile verabscheue! Immer, wenn ich denke, ich hätte dessen Bedeutung erfasst, entschlüpft es mir wieder wie ein glitschiger Aal und schickt mich erneut auf die Suche. Dann kommt es mir so vor, als drehte ich mich wie Hamlet seine Mühle immer nur im Kreis, ganz und gar sinnlos. So als wäre ich nach Tagen, Wochen und Monaten in der Wüste wieder genau an dem Punkt angelangt, an dem ich begonnen hatte, als ich mit meinem ersten ungeduldigen Schrei diese Welt begrüßte.
Ich kann nur hoffen, dass es sich stattdessen um eine goldene Spirale handelt, getreu unserem universalen Naturgesetz.
Aber warum eigentlich? Warum irgendwohin? Warum bewegen? Warum Langeweile, Unzufriedenheit oder einfach die Lust auf Neues? Ist das fundamental oder steht da noch etwas dahinter?
Leben ist Bewegung, Veränderung, zumindest so wie wir es kennen und verstehen. Entwicklung, auch so ein abgedroschener und ausgelaugter Begriff.
Aber wieso? Das ist vielleicht die eine dieser letzten Fragen, auf die es keine Antwort geben kann.
Vielleicht müssen wir uns damit abfinden, dass wir blind durch den Kosmos steuern, weshalb ich Menschen gut verstehen kann, die anhalten wollen, die keinen Bock auf diesen grotesken Göttertanz haben und einfach in Ruhe ihr Weißbier trinken wollen und nicht verstehen können, dass Trachten und Gewohnheiten irgendwann aus der Mode kommen.
Mit aller Gewalt und bloßen Händen gehen sie daran, den verdammten Zug stoppen und müssen zermalmt werden, wenn ihre Schuhsohlen am Ende verglühen wie eine Sternschnuppe im Morgengrauen einer neuen Ära.
Denn das Problem dabei ist: es ist kein Zug.
Nein, wie Münchhausen sitzen wir auf einer riesigen Kanonenkugel, die in wilden Spiralen und ohne Reibung, doch dafür mit einem Affenzunder durch unser unermessliches All rast.
Wir können nicht anhalten.
Und so muss auch ich wieder einmal weiterziehen: Heute hier, morgen dort…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht