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Glückshormone

Zwei Stunden später etwa setzte mein Herz für Sekundenbruchteile aus, weil es das, was da über meine Augäpfel und den feurio feuernden Sehnerv in mein Bewusstsein gehämmert wurde, einfach nicht verarbeiten konnte.

Meine Hypophyse war genauso überfordert: soviel Glückshormone konnten unmöglich in so kurzer Zeit ausgeschüttet werden. Ich fühlte mich, als ob ich einen weltumspannenden Brand mit einem Eimer ohne Boden löschen wollte.
Ich war erleuchtet und wurde erhoben in die höchsten Himmel!
(Sie waren dort wirklich sehr blau.)

Glas

Vor meinen tränenden Augen erstreckte sich eines der schönsten und bezauberndsten Gebirgstäler, wie ein fantastisches Traumbild, dass auf magische Art und Weise Wirklichkeit geworden war.

Eine weitläufige Grasebene brandete an sanfte Hügel und weiß gepuderte Bergspitzen, an deren Hänge sich Waldstücke und fremdartig anmutende Geröllfelder klammerten. Das rauschende Wellenwasser des Orkhon-Flusses glitzerte im Licht der Sonne und brach sich an Steinhäufchen, die sich ihm frech in den Weg stellten, die Luft war wie schimmerndes Glas.

Surreal

Es war, als ob wir in der Zeitspanne eines Herzschlages durch das Negativbild unseres Fegefeuers ins Paradies eingetreten waren.
Eine ganze Weile holperten wir durch dieses fantastische Naturparadies, und meine Hals- und Nackenmuskulatur leistete Unmenschliches, da ich drei Seiten Fensterscheiben um mich herum zum Glotzen hatte.

Und soll ich Euch was sagen? Unsere nächste Unterkunft lag an eben jenem Fluss lag, mitten in diesem zentralasiatischen Shambala, ich war fix und fertig.
Nach dem Sonnenuntergang (gaah…) spülten wir diesen surrealen Tag mit einer äquivalenten Menge Vodka hinunter, der sogar meine Spannungskopfschmerzen etwas zu lindern vermochte, ein geringer, ja, lächerlich geringer Preis geradezu.

Postkarte

Endlich, endlich war es soweit! Für ganze drei Tage sollten wir auf Pferderücken in diesem Postkartenbild der Mongolei zu waghalsigen und furchtlosen Steppenreitern mutieren. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Sa-gen-haft. Punkt.

Naja, fast. Das Wetter wechselte immerhin weiter fröhlich vor sich hin. Mal begegnete uns strahlender Sonnenschein mit frühlingshafter Wärme, und mal war alles wolkenverhangen. Dann kamen uns Windböen entgegen, die mir buchstäblich das Mark in den Knochen gefrieren ließen. Ein paar Schneeflocken tanzten verzweifelt in der Luft.

Verhangen

Das war aber gar nicht so schlimm, da wir uns alle, ohne Ausnahme, Tags zuvor eine leichte bis mittelschwere Lebensmittelvergiftung eingehandelt hatten.
Ob es am zähen Hammelfleisch oder vielleicht doch an dem überaus leckeren, selbst gemachten Yoghurt unserer Gastgeber lag, das werden wir wohl nie erfahren.

Arnold hatte es am schlimmsten erwischt, der meldete sich für den nächsten Ausritt vorweg ab, keine Chance. Ich und die Mädels trauten uns noch raus, aber es machte nicht wirklich Spaß, weil meine Füße nach einer Viertelstunde taub waren vor Kälte, während mein Gesicht in eisigen Flammen stand.

Vorwagen

Als nächste musste Stef dran glauben und kehrte zusammen mit Gala und Katy um, die sich auch schon etwas wackelig fühlte. Zusammen mit Dasha, unserem Reitführer, wagte ich mich noch etwas weiter vor und schaute mir einen von den acht Seen an, die ursprünglich auf dem Plan standen, aber schließlich kehrten auch wir um.

Das war Khan sei Dank clever, denn nach einem weiteren Milchtee (wiederum nicht sehr clever, weil Milch = Säure = Milieukiller) zerbröselte es auch mich. Ich bekam zwar keinen Brechdurchfall wie die anderen, lediglich leichte Grippe-Symptome, aber ich stand soweit neben mir, dass an Reiten nicht mehr zu denken gewesen wäre.

Headquarter

Immerhin meine innere Festung bröckelte zwar, aber am Ende hielt sie siegreich und mit wehenden Fahnen stand! Pah. Da muss schon mehr daher kommen als eine wuzlige mongolische Bakterienhorde, um mein vor Waffen starrendes und kampferprobtes Immunsystem in ernsthafte Verlegenheit zu bringen, n’est-ce pas.

Bata, unser privater Rettungssanitäter hatte uns sogleich abgeholt und zurück zum nomadischen Headquarter gebracht. Dort konnten wir uns besser erholen, weil jedem ein eigenes Bett zur Verfügung stand.

Wundermittel

Gala behandelte uns mit heißer Reissuppe und einer Salz-Zucker-Lösung, den lokalen Wundermitteln gegen Magenprobleme, und heizte unserem Ofen ein, damit wir ordentlich ins Schwitzen kamen; voll im Geiste des braven Naturmediziners.

Und siehe! Dieses Mal sah die Welt am darauf folgenden Tag in der Tat ganz anders aus. Alle erholten sich der Reihe nach von dem Häuflein Elend, das sie zuvor gewesen waren. Gala freute sich wie ein Schnitzel, uns alle wieder -vorsichtig- lachen zu sehen. Genauso hatte sein Antlitz am Abend davor mit uns gelitten; das war vielleicht eine Perle.

Anmut

Dementsprechend genossen wir den letzten Abschnitt unseres Aufenthaltes an diesem wundervollen Flecken Erde in vollen Zügen. Mei, hat das Spaß gemacht, und ich durfte sogar galoppieren!

…Leider sind die anderen Gäule aus lauter Verwirrung gleich mit gerannt, was meinen Kompagnons womöglich weniger behagte als mir. Katy fiel sogar von ihrem Pferd, aber glücklicherweise ist nichts passiert, und sie nahm es mit ladyhafter Anmut und Grazie sowie dem ihr eigenen Sinn für Humor.

Ride now!

Unsere Pferde waren derart gut trainiert, dass sogar ich ihnen mit meinen kläglichen und verjährten paar Reitstunden meinen Willen aufzwingen und sie dahin manövrieren konnte, wohin ich wollte, wenn zum Beispiel mein hungriges Auge hin und wieder etwas Interessantes erhaschte.

Mann! Bin ich über die zentralasiatische Prärie gedonnert! Ich stellte mir vor, dass ich ein Reiter Rohans war, ein tapferer Steppenkrieger, der auf seinem verehrten Ross über die Ebenen der Westmark prescht, um den Armeen Gondors zu Hilfe zu eilen. – Hehheh, oder so. Jedenfalls, phätter Haken.

Nichts Schöneres

Natürlich war es schade, dass wir den ursprünglichen Trek nicht zu Ende führen konnten, aber ganz ehrlich? Es gibt nichts Schöneres, als an einem ekelhaft zwidernen Tag mollig warm in einer Jurte vor einem Bullerofen zu sitzen, in dem es hörbar prasselt und knackt. Und nichts weiter zu tun außer die Zeit dahin zu dösen und vielleicht ab und zu in einem Buch zu blättern.

Beiwerk

Ach ja! Bevor wir wieder nach Ulan Baatar zurückkehrten, schauten wir uns auf unserer langen Tour durch das Hinterland der Mongolei noch das älteste Kloster des Landes an und wären auf dem Weg dorthin zu Fuß fast im Schnee steckengeblieben. Es war aber durchaus ein beeindruckender Anblick, wie es sich da an die Flanke eines Berges kauerte.

 

Außerdem besuchten wir Kharakorum, die ehemalige Hauptstadt vom alten Dschingis Khan, sein Karma hab ihn selig. Aber das war alles nur eitles Beiwerk und tut an dieser Stelle nichts zur Sache.

Unterwegs

Es war durchaus spannend und sehr intensiv, so lange und ununterbrochen unterwegs zu sein, aber mir war es letzten Endes tatsächlich zu viel. Ich finde, beim Wandern geht sowas, weil ich mich viel langsamer bewege und dadurch auch umso weniger sehe und Eindrücke zu verarbeiten habe.

Aber wenn ich in der gleichen Zeit Hunderte, ach Schmarrn, Tausende von Kilometern oder mehr im Auto zurücklege, dann bekomme ich diesen ganzen Wust aus Erfahrungen nicht wirklich aufgenommen und integriert. Zuviel des Guten, so kommt es mir vor.

Als wir endlich im Hinterhof vom Sunpath-Hostel mit wackligen Knien ausstiegen, dachte ich nur: „Was zur Hölle ist eigentlich grade passiert?
Eines aber weiß ich jetzt: Am Ende ist Murphy
gar kein so schlechter Kunde.
Wenn man ihn erst einmal besser kennt.

Steckenbleiben

Kloster

Kauern

Gebirge

Endlich

Steppenreiter

Donnergott

Trainiert

Ins Mark

Guide

Umkehren

Hügel

Hauptstadt

Ganz anders

Unterkunft

Gaah

Puder

Hänge

Westmark

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