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Unsinn

Auch das war seltsam. Da stehe ich Tausende Kilometer von meiner Heimat entfernt, in einer fremden Stadt mit fremden Geräuschen und Gerüchen, mit Menschen in fremdartigen Gewändern und klingle an einer (noch) fremden Klingel, und auf einmal sehe ich mich einem vollkommen vertrauten und heimeligen Antlitz gegenüber.

Was war das für ein Wiedersehen! Kaum lagen wir uns in den Armen, trieben wir auch schon wieder die alten Späße und ergingen uns in tiefgründigem Unsinn, denn dergestalt waren Mikes Geist und Gemüt gelagert. Ernsthafte Konversationen hielten es in unserem Beisein keine fünf Minuten aus, sie flohen schreiend und taten recht daran.

Die Gäste im „Gringo’s Rincon“ (Ecke der Gringos) mussten das natürlich erst einmal lernen, oder, und das war stets einfacher, sie sahen in scheinbar gleichgültiger Fassungslosigkeit darüber hinweg und nannten ihn einfach „The crazy German“.

Crazy German

Denn verrückt war er, aber auf eine ganz zauberhafte und gutmütige Weise. Sonst hätte ich meine anfängliche Lehrzeit im wombat’s City Hostel unter seinen schrägen Fittichen wohl kaum überstehen können.

Jesses, das erscheint mir jetzt schon wie in ein anderes Leben, dabei waren seitdem kaum acht Jahre vergangen. Aber ja, um die Ecke gestern kann man es auch nicht wirklich nennen. – Mithin, es war damals Mike gewesen, der mich in die verschrobenen Eigenheiten der Nachtschicht an der Rezeption eines Backpackers’ eingelernt hatte.

Endlich

Seitdem hatte uns in inniges Band der Freundschaft verbunden, wobei wir uns über die Jahre gar nie so oft sahen, da er zumeist in unserem Wiener Hauptquartier sein heiliges Unwesen getrieben hatte. Das war, bevor er mit seiner bolivianischen Ehefrau, die er eben in Sucre, vor noch viel längerer Zeit und ehedem kennengelernt hatte, in ihr Heimatland gezogen war.

Er hatte sie gestohlen, nahm sie mit sich nach Europa, um das notwendige Geld und Knowhow zu scheffeln und sich im Anschluss endlich selbständig zu machen. Et voila. So kam es, das ich mich nun inmitten seines kleinen, gemütlichen Reiches befand und elegant meinen- ach so… Mein Rucksack war ja gar nicht da.

Rote Säulen

Ich warf also elegant all meine nichtigen und wichtigen Gedanken mit herzhaftem Schwung in eine obskure Ecke, wo sie wohl heute noch vor sich hin gären. Cuidado!
Denn für solch dunkle Dinge war an jenem Platz kein Platz.

Es war ein Ort der Freude und der Leichtigkeit, des Leichtsinns, mit roten Säulen, die sich um einen beschaulichen Innenhof gruppierten, von dem aus geräumige Zimmer in mehreren Etagen weg gingen. Ja, ich spürte sogleich, dass er seine Sache gut gemacht hatte.

Sofort fühlte ich mich pudelwohl und hatte mich praktisch instantmäßig aufgelöst und eingelebt. Die Zeit schien sich zusammenfalten, so kurz war sie mir, schon fand ich mich mit mehreren vortrefflichen Reisegefährten an einem Tisch auf der sonnenbeschienen Dachterrasse wieder, eine Flasche kühles Paceña in der einen Hand, in der anderen eine keck züngelnde Zigarette.

Vortrefflich

Das war einfach so ein Ort. Ein Hostel, wie es sein musste, mit Schmackes und einer ordentlichen Portion Liebe, wo man eigentlich gar nicht hinaus auf die Straße will, weil die Seele frei ist und fliegen kann. So ein Ort war das.

Es war einer, an dem einen die Griabigkeit mit einem Schlag erwischt und zuklappt, so dass man nicht mehr weg will, wo sich die kommenden und gehenden Menschen mehr wie eine in sich schaukelnde, an- und abebbende Familie als wie seltsame Zufallsbegegnungen anfühlten.

Geografie

Dieser Umstand wurde zudem durch die ganz einfache Tatsache gestützt und getragen, dass die Stadt Sucre ein sehr angenehmes Flair und Klima verbreitete. Man nennt sie auch „die Stadt des Ewigen Frühlings“ (wie so viele in den einschlägigen Klimazonen), und das völlig zurecht.

Wetterlagen hielten sich stets auf einem kommoden Niveau, da sie geografisch zwar bereits im heißen und feuchten Amazonasbecken lag, sich jedoch zur gleichen Zeit an die kühlen und weit trockeneren Andenhänge auf etwa 2.800 Metern Höhe klammerte.

Why not

Eine einmalige Kombination, die an und für sich bereits viele Reisende dazu anhielt, ihren Aufenthalt um einige Tage oder, why not, Wochen zu verlängern und bei der Gelegenheit ein bisschen Spanisch zu lernen.

Dementsprechend gab es im Rincon die berühmte „Column of Fame“, eine Ruhmessäule, wo diejenigen Gäste mit den meisten durchzechten und überstandenen Übernachtungsnächten in steinerner Präsenz verewigt wurden. Ich glaube, der Rekord lag zu dem Zeitpunkt bei 58, am Stück.

Noch ein Bier

In der Tat, als ich nach einer etwa einmonatigen Rundreise durch das Land dorthin, ja, heimkehrte, traf ich zum Teil immer noch dieselben Gesellen an, die ich zuvor mit krokodilsquellenden Tränen in den Augen zurück gelassen hatte. Einer vor allen Dingen schien fest dazu entschlossen, den alten Rekord brechen zu wollen.

So ein Ort war das. Wunderschön und herzerfrischend bis in die Ewigkeit hinein, aber und gerade deswegen auch gar nicht so einfach für einen hibbeligen Aktionshudler wie mich, dem selbst der Inbegriff der Effizienz zu chaotisch, zu verplant vorkommen muss:
Jaa
nicht auch nur eine Sekunde ungenutzt verstreichen lassen!

Gell. Das musste ich erst einmal checken. Aber die Leute im Gringo’s nahmen mich streng und beflissentlichunter ihre schrägen Fittiche und schenkten mir noch ein Bier ein.
Es war wieder Lehrzeit für mich.

Geräumig

Übernachtungsnacht

Wetter

Flair

Geweißelt

Verlängern

Bierzeit

Fittiche

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