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In diesem Beitrag sind nur vereinzelt Bilder vorhanden und es werden keine Namen genannt aus Respekt vor der Privatsphäre eines jeden Piraten und Zauberers, einer jeden Hexe und Priesterin, die am Camp teilnahmen. Bilder sind zwar einfacher und oft treffender als Worte, doch an dieser Stelle reichen selbst diese bei weitem nicht aus, das Erlebte auch nur annähernd zu beschreiben.
(Anm. des Sammlers)
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Frisch

Am darauf folgenden Morgen erwachte ich gerade noch rechtzeitig, um an der Medizinwanderung teilzunehmen. Eigentlich war es dazu schon zu spät, da ich die Einweisung verpasst hatte und eben die letzten Gestalten, ein jeder für sich, im frisch duftenden Wald verschwinden sah.

Ohne genau zu wissen, um was es genau ging, machte ich für mich einfach eine Art Gehmeditation daraus, und ich denke, dass das sowieso im Sinn der Sache war. Also spazierte ich durch den umliegenden Forst und sah, hörte und spürte.

Ich sah, wie das erste Licht des Tages durch kleine Lücken im Geäst spickte und von Tautropfen tausendfach reflektiert wurde. Ich hörte das Zwitschern der Vögel, das dumpfe Knacken im Gehölz unter meinen Füßen und Blätterrascheln, wenn der Wind sanft darüber strich. Ich fühlte ihn auf meiner Haut, spürte die feuchte Kühle, bevor noch der erste Sonnenstrahl meine Haut kitzelte.

Lücken

Irgendwann setzte ich mich auf einen Baumstamm und beobachtete meine unmittelbare Umgebung. Dabei ging ich immer näher heran und richtete meine Aufmerksamkeit schließlich auf die Gräser und das Unterholz, kleine Käfer, Würmer und anderes Getier – jene wunderliche Welt, die man als Mensch von dort oben meist gar nicht wahrnimmt und halb vergisst.

Es war bezaubernd, den Tag auf diese ruhige und bedachte Art und Weise zu beginnen und auch ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte.
Denn am dritten Tag bekamen wir Besuch vom Herrn Großpapa, dessen Arznei wir am späten Vormittag nach der Wanderung einnehmen sollten.

Symbolisch gesehen war das auch der Feueraspekt des Camps, das männliche Prinzip des Kosmos, die Aktivität, das Sich-Ausdehnen und Strahlen, im federleichten Phönixflug des Geistes.

In der Jurte

Fast dreißig aufgeregt wummernde Herzen waren dieses Mal zugegen, ganz schön viel und mehr noch als im Jahr davor. Wir versammelten uns nach einer Pause in der Jurte und erhielten der Reihe nach von den Schamanen das feine Pulver verabreicht.
Von der Konsistenz her erinnerte es mich an Heilerde, furztrocken, man hätte es ohne einen Schluck Wasser niemals hinunter gebracht.

Es schmeckte ziemlich bitter. Obwohl ich den Mund randvoll hatte, wollte er sich unbedingt noch zusammenziehen. Von daher gab es nur zwei Auswege, und als wohlerzogener Schwabe hätte ich mir eher einen Finger abschneiden lassen als das Zeug wieder auszuspucken. Also runter damit!

Dann setzten wir uns im Kreis wieder um das heilige Feuerlein, das fröhlich knackte, sich streckte und leckte. Ihm schienen diese sonderbaren Machenschaften zu gefallen, während wir gespannt darauf warteten, ob und wann die Wirkung einsetzte.

Heraus

Für mich war es jetzt kein Raketenstart, vielmehr ein sachtes und allmähliches Hinübergleiten in einen leicht schummrigen Zustand, aber gleichzeitig schienen meine Sinneswahrnehmungen feiner und sensibler zu werden, so als ob jemand meine Nervenenden langsam aufdimmt.

Um den körperlichen Prozess weiter zu aktivieren und zu unterstützen, führten wir einige Qi-Gong-Übungen aus, die allerdings mit zunehmendem Einsetzen der Wirkung von den Teilnehmern immer freier und… eigenwilliger interpretiert wurde. Das hat bestimmt lustig ausgeschaut.

Ich selber war so beseelt und fühlte meinen Körper immer stärker vibrieren, bis ich das Gefühl hatte, eine bis zum Zerreißen gespannte Feder zu sein. Gleichzeitig war es mir in der Gruppe immer beengter, so dass ich mich irgendwann entschied, aus dem Waldrand heraus auf die Wiese zu treten.

Ich wollte mich ausdrücken, tanzen, fließen und das innere Licht, das mich schauernd und wohlig erfüllte, in die Welt hinaus schicken, ob sie das wollte oder nicht!

Wiese

Es zeigten sich mir keine Visionen oder außerordentliche Wahrnehmungen in der Hinsicht, aber in meiner Vorstellung war ich noch nie ein sonderlich visueller Mensch gewesen. Doch hatte ich das Gefühl, dass ich Einzelheiten schärfer und zugleich meine Umgebung insgesamt irgendwie verwaschener sah, fast so als ob die Zeit der Welt hinterher hinkte. Oder umgekehrt.

Aber das störte mich nicht. Ich verspürte lediglich ein tiefes und allumfassendes Gefühl der Verbundenheit und der Klarheit. Alles war so klar! So einfach! Ja logo, ich wusste haargenau und bis in meine letzte Zelle, wer, was ich war und wozu ich auf diese Welt gekommen bin, ohne das jedoch rational fassen und in Worte kleiden zu können.

Was seltsam erscheinen mag, wenn man die Tatsache bedenkt, dass ich für die Beschreibung der ersten zweieinhalb Tage zahlreiche Zeilen schon ver(sch)wendet habe.
Sei’s drum, ich hatte
auf jeden Fall jenseitsmäßig Spaß auf der Wiese und führte meine absonderlichen Schlangentänze auf, die mir in den letzten Jahren am liebsten geworden sind, da sie mein innigstes Wesen auszudrücken scheinen.

Nicht nur das, ich hatte das unumstößliche und in Stein gemeißelte Gefühl, dass sich in meinen Bewegungen das Leben selbst ausdrückte. – Bitte, es ist keine Zeit für Eitelkeiten. Das war so, ich kann doch nichts dafür. Und nicht nur in den meinen, möchte ich zu bedenken geben.

Hecke

Überall konnte ich ihn sehen, diesen rohen, puren, unverfälschten Puls der Welt: in den Körperlichkeiten der anderen Teilnehmer wie im aufsteigenden Flug der Vögel, im Wiegen und Rascheln der Bäume, im Summen der Wespen und Bienen.

Von denen versammelten sich viele bei einer wunderschönen Blumenhecke am Waldrand mit rosafarbenen und violetten Blütenkelchen, und ihr Pollentanz, sonst so chaotisch und scheinbar sinnlos, offenbarte mir jetzt einen tief verborgenen Sinn.

Alles sang und vibrierte von der fabelhaften Schönheit und Eleganz dieser Welt, von der wir nur ein mikroskopischer Teil sind, und die ohne einen jeden von uns niemals existieren könnte. Alles war wie ein Gedicht, ganz exquisit, ein sublimer Traum, das unfassbare Abbild und Partikel gewordener Glanz einer unverstellten Göttlichkeit.

Kein Wunder, dass manche Leute stundenlang auf ein Kleeblatt starren können, wenn sie trippen.
Ich grinste nur stundenlang vor mich hin, während ich in immer neuen Runden über die Wiese schlingerte wie ein verliebter Puck zum Sommernachtstraum. Irgendwann kam es mir so vor, als ob mein Körper über keinerlei Knochenstruktur mehr verfügte, sondern alles floss nur noch dahin, ein winziges Schwebeteilchen im großen kosmischen Strom der Dinge.

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