Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Zitadellen & Elfenbeintürme…
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Nur aus einem ganz bestimmten Grund verbrachte ich zwei Nächte in Dilla, und das waren die mysteriösen Stelen bei Tutiti, etwa 12km und eine Stunde Fahrzeit entfernt.
Dabei handelte es sich um die eindrucksvolle Zahl von 1.500 grob behauenen Steinsäulen oder -monolithen auf einer kleinen Anhöhe mit Blick auf die umliegenden Berge der Gedeo-Region, die an ähnliche Bauwerke zum Beispiel in Europa erinnerten.
Der längste von ihnen maß schlappe sieben Meter, von denen jedoch nur die Hälfte aus dem Boden ragte, der Rest war vergraben. Da unter den Stelen oftmals Gegenstände, Grabbeigaben und menschliche Knochen gefunden, gehen die Archäologen davon aus, dass es sich unter anderem um eine Art Friedhof handeln müsse. Sie geben aber offen zu, dass die Anlage zum großen Teil noch immer ein Rätsel darstellt.
Girma, ein ausgesprochen trefflicher Zeitgenosse, nahm mich in der Wellblechhütte der örtlichen Tourist Info in Dilla sogleich unter seine Fittiche und erbot sich, mich nach Tutiti zu begleiten.
Dort angekommen, schlüpfte er spontan in die Rolle des Guides, weil sonst keiner da war, und offenbarte mir viele kleine Details, die ich andernfalls niemals bemerkt hätte.
Denn der Zahn der Zeit nagte bereits unbarmherzig an den Monumenten: die feinen, eingeritzten Symbole und Vertiefungen, die möglicherweise Schriftzeichen und menschliche oder auch tierische Körperteile darstellten, waren oft stark verwittert und kaum mehr zu erkennen.
Bei manchen Säulen gebrauchte ich allerdings nicht viel Phantasie, um zu erkennen, welches Körperteil in diesem speziellen Fall wohl gemeint sein mochte.
Viele waren zudem zerbrochen oder lagen umgestürzt und besiegt auf dem Erdboden, die vertrockneten Blätter der umstehenden Bäume zerbröselten unter meinen vorsichtigen Schritten zu Äther.
Selbst die kleineren Exemplare wogen nach Girma’s Angaben circa zwei bis drei Tonnen und mussten an die vierzig Kilometer über Berg und Tal aus einem Steinbruch dorthin transportiert werden. Auf mein Nachfragen konnte Girma nur mutmaßen, dass „viele Menschen“ die Dinger geschleppt oder gar getragen haben mussten.
Jjja. Wieviel kann ein Mensch maximal wuchten, dreißig, vierzig Kilo? Die Berge rauf und runter? Das heißt, wenn man das auf zwei Tonnen hochrechnet, dann käme man auf mindestens 50 Träger. So ein Stein hat aber nur ein, zwei Meter Länge. Selbst wenn sie das Gewichtsproblem in den Griff bekommen hätten, soviel Leute passen doch niemals unter den Stein!
Eine Art Bahre, die unter dem Gewicht nicht zusammenbrechen soll, stelle ich mir bereits so schwer vor, dass sie allein imstande wäre, ein handfestes Transportproblem darzustellen. Holzbalken als Rollen auf Bergpfaden? Nä.
Aber ich bin ja kein Experte, dass überlasse ich freimütig den Franzosen, die dieses kraftvolle Zeugnis vergangener Baukunst 1985 entdeckt hatten.
Als ich fragte, ob die Stelen am Ende nicht auch aus astronomischer oder astrologischer Sicht bedeutsam seien, wie es oft bei altvorderen Bauten der Fall sei, druckste er aber nur herum und meinte: „Hm.“
Wahrscheinlich schon.
Aber Girma war echt klasse, und er bekam ein schönes Trinkgeld von mir, da er mir doch die Gebühren für einen beamteten Guide ersparte. Obwohl ich die leise Sorge hegte, dass es ihm insgeheim nicht genug war. Er sagte zwar nichts, aber seine Augen schienen beim Anblick der paar Kröten abermals „Hm“ zu sagen.
Er war eines von sieben Kindern, sein älteste Bruder führt ein äthiopisches Restaurant in Bonn. Also geht da hin, falls Ihr mal in der Stadt seid, dann kommt auf diesem Weg noch ein bissl was rum für seine Familie; ich geb’ Euch dann ein Bier aus.
Falls es da mehrere solche Wirtschaften geben sollte, probiert einfach alle durch, nur um sicherzugehen. Im Ernst, das Essen ist eh lecker. Und es war so ein schöner Ausflug.
Ich kam sogar wieder einmal in den Genuss einer rasanten Mopedfahrt, rauf und runter die steinigen Hügel, vorbei an johlenden und ausflippenden Dorfkindern; wie damals bei den Beatles.
Wie auch anderswo folgten sie uns wie eine aufgekratzte Jüngerschar: „Es ist… seine SanDALE!!“
Nach einem weiteren entspannten Abend der Meditation und der Energielenkung sowie einer Ration „Resident Evil“ brach ich erneut auf, dieses Mal zurück ins kuschlige (H)awassa.
Es war mithin mein Geburtstag, und mir gefiel der Gedanke, ihn zusammen mit Elvis, Robel und Kitacho im Circle of Life zu begießen.
Die Sonne schien, und Friede war in mir.
Aber nicht nur dort, selbst die herumlungernden Bros am Busbahnhof schienen verhältnismäßig entspannt, wie eingedämmt. Der bajaj-Driver wollte nur fünf anstatt der üblichen zehn Birr, weil es ihm so gut gefiel, dass ich ein paar Fetzen Amharisch konnte. Und um alledem die Krone aufzusetzen, sagten die Bushanseln sofort den korrekten Preis an und machten nicht einmal Stress wegen meinem Rucksack.
Ich war der erste Passagier und durfte mir meinen Platz an der Sonne ganz entschleunigt und fast schon müßig aussuchen.
Hat man da noch Worte? Es war in der Tat – mein Geburtstag.
Allerdings dauerte es deshalb noch eine gute Weile, bis nach und nach weitere Fahrgäste eintrudelten. Zu den Getränke- und Knabberzeug-Verkäufern gesellten sich in Dilla auch junge Girls, die mit bunna – für mich vielmehr Manna – bewaffnet durch den Bus stiefelten.
So saß ich da, schrieb Tagebuch und wartete mit einer dampfenden Tasse Götterspeise, den sie mir mit einem umwerfenden Lächeln überreichte, in meiner Hand auf die Abfahrt.
Ist das nicht genial? Happy Birthday!
Was für ein schöner Beginn meines Feiertages und das bitter notwendige Gegenmittel zu dem Cappuccino-Fiasko zuvor im Lem Café.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht