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Lotus-Thron

Ich übertreibe nicht! Genau sieben Schritte waren es in die Freedom Bar. Ich war kein einziges Mal dort.
Warum auch, wenn es Bier im Kühlschrank gab, der
überdies nur vier Schritte entfernt war von meinem Lotus-Thron.

Außerdem kamen ja eh alle zu uns!
Wahrlich, ein nie versiegender Quell an freigeistigen, exzentrisch introvertierten, weniger oder vielmehr verrückten Menschen sprudelte jeden Tag aus den Straßen und Gassen von Thailands nördlicher Kleinstadt-Metropole herbei.

Schwingen

Wir rangen mit unseren westlichen Gesellschaften, priesen den Wagemut alternativer Lebensformen, erschufen die Welt neu oder lieber doch nicht, und ergötzten uns an kulturellen Feinheiten jedweder Art. Zur Not redeten wir über Sex.

Auf, auf, hinauf! schwangen wir unsere seidenen Flügel in alle Himmelsrichtungen menschlicher Existenz, nur um mit einem fulminanten FLATSCH! wieder auf dem öd gemütlichen Boden der Realität aufzuschlagen.

Nie werde ich den Ausdruck in den Gesichtern von Murat und Costas vergessen, als Göksun sich ergoss und in türkischen Leckereien und Süßigkeiten schwelgte: Ein kindlich unschuldiges Glitzern in den Tiefen ihrer orientalischen Augen gesellte sich zu dem bittersüßen und sehnsuchtsvollen Seufzer eines lang gezogenen „Aaaaaaaah“.

Murat & Costas

Dieser schien aus der innigsten Mitte ihres Herzens zu kommen, wo alle Liebe entspringt, während sich langsam und genüsslich ein kristallner Speicheltropfen in ihren sinnlich geöffneten Mundwinkeln bildete.

Wie um alles in der Welt waren plötzlich diese putzigen, kleinkindlichen Seelen in die Körper zweier erwachsener Männer geraten, dachte ich mir schmunzelnd bei diesem köstlichen Anblick.

Frohsinn

Als die beiden einmal zusammen mit einem anderen Südländer, dessen Namen ich leider vergessen habe, auf einer Couch saßen, hätte man sie alle drei für Brüder halten können. Allerdings hätte in dem Fall einer der beiden Elternteile abwechselnd in der Türkei, Ägypten wie auch in Griechenland hmhmsen müssen.

Was ja heutzutage kein Problem mehr ist, das geht innerhalb von ein, zwei Tagen, wenn es sein muss. …Ob die alten Klischees von Piloten und Stewardessen am Ende doch stimmten? – Aber es waren in Wirklichkeit keine Brüder.

Murat war außerdem einer dieser Menschen, die man unmöglich nicht gern haben kann. Frohsinn und die Gutmütigkeit gehen zu ihm in Therapie, wenn es hart auf hart kommt, und selbst der Hass bekommt Lachfalten und Zwerchfellrisse.

Bei der Steak-Lady

Man muss nicht J.R.R. Tolkien heißen, um sich bildhaft vorstellen zu können, wie sich alle Tiere des Waldes wie auf ein verabredetes Signal hin um ihn scharen, sobald er auf eine sonnendurchwirkte Lichtung tritt.

Kaum saß er am Tisch, begann die gesamte Runde innerhalb von zwei Minuten zu lachen. Kein Witz! Wir saßen gerade um einen Tisch bei der Steak-Lady* am Food Market und waren alle etwas durch und platt von ich weiß nicht was, neben uns zwei maximalafrostigmatisierte oder kastaniendunkelbraunschwarze Damen aus den Vereinigten Staaten.

Schallmauer

Costas versuchte noch halbherzig, ein Gespräch zu beginnen, aber es starb noch während der Zeugung. Kommt der Muri angewackelt mit seinem nonchalanten Ich-weiß-nicht-vielleicht-mal-schaun-Schlurfwatscheln und diesem keck gleichmütigen Gesichtsausdruck, der jeden Buddhisten in einen cholerischen Atompilz verwandelt hätte,

…Nanananana, kommt der also angewackelt und lässt sich mit einem Seufzer zufriedenster Ergebenheit in seinen Stuhl fallen.
Ich schwöre. Genau 98 Sekunden danach durchbrach das Lachen der beiden Ladies die Schallmauer und spaltete Ozeane.

Taufrisch

*Jetzt mal ehrlich. Ich esse ja beinah schon fanatisch und ausschließlich einheimisches Essen, wenn ich unterwegs bin. –- Aber diese Frau, diese GÖTTIN, zauberte uns Steaks mit KAR-TOFFEL-PÜREE! (und Salat naja oke), dass es mir die Geschmacksnerven um meine Glückshormonsdrüse schnürte.
Das Zeug muss auf eine Liste extrem gefährlicher Suchtmittel oder sowas!

Da steht sie ganz allein an ihrem Stand und bereitet alles taufrisch zu, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Weder Freude noch Überdruss spiegeln sich in ihrem elfenhaften Gesicht, allein eherne Konzentration und Hingabe an ihr bescheidenes Tagewerk. Wenn Ihr wissen wollt, wie man richtig meditiert, dann bestellt Euch einfach ein Chicken Steak schaut ihr bei der Zubereitung zu.

Geiern

Wow. Da müsste ich in Deutschland aber lang suchen, bis ich so ein Festmahl vorgesetzt bekomme, Omas und Mütter anstandshalber ausgenommen. …Dieses Karrtoffelpüree! Für zwei Euro. Ist das zu glauben? Simpel und ehrlich – fabelhaft.

Scheiß auf alle diese geiernden Gockel mit ihren Testosteronsternen und den blitzenden Schürzen! Diese scheinheiligen Schuhbecks. Die sollen lieber mal zu ihr in die Lehre gehen – kulinarisch wie moralisch.

Eifersucht

Oder Göksun. Kaum hatten wir unsere Namen beim einander Vorstellen zu Ende gesprochen, schon philosophierten wir über Zustand und Entwicklung unserer jeweiligen Gemüter und tauschten Buchtitel und Youtube-Links aus.

Andrea. Aus Italien und zudem ein Mann. Ja, mehr noch: er war einer von diesen sympathischen Machos mit stechendem Blick, Haaren auf seinem v-förmigen Rücken sowie einem derartigen Moschus-Hormondunst, so dass ich präventiv sofort eifersüchtig wurde, obwohl ich zu dem Zeitpunkt gar keine Freundin hatte. MannMannMann.

Canyon

Aber so ein lustiger und hilfsbereiter Kerl mit darüber hinaus grundvernünftigen Ansichten: ein rechter Kumpel auf gut deutsch. Sein Englisch zeichnete sich durch einen unverfälschten und geradlinigen italienischen Akzent aus, und bitte stellt Euch dazu eine von Zigarettenrauch zerkratzte Stimme vor: „Yees, but’a come on’e, if I don’t smok’e de weed – I go crrazy.“

Auf dem Weg zum Chiang Mai Canyon, einem urzeitlich anmutenden Baggersee, zeigte er uns seine Bleibe inmitten der ländlichen Vororte der Stadt. Eingebettet in einen Hain aus Palmen sowie anderen tropischen Gewächsen, deren Namen jeder andere Autor recherchiert oder zumindest gegoogelt hätte, lugte sein charmantes Holzhaus auf Stelzen aus dem Geäst hervor.

Charme

Über einen erhöhten Plankenweg war es verbunden mit einer kleineren Hütte, die wiederum die Küche beherbergte. Das Wohnzimmer war großzügig und geschmackvoll eingerichtet, während das Bett ein Stockwerk höher lag mit Blick auf die hügelige Tropenlandschaft. Ein weichzeichnerisches Bilderbuch für Möchtegern-Aussteiger.

Auf seiner Veranda kam man sich vor wie ein Baumwollfarmer, der mit einem Glas Whiskey-Soda in der Hand seinen afrikanischen Gastarbeitern bei der Arbeit zuschaut, während diese mit voller Inbrunst ihre herzzerreißenden Lieder singen, weil sie immer soviel Spaß beim Pflücken haben. Barfuß.

Welche Ruhe, welcher Frieden musste da draußen herrschen, wenn die Sonne unterging und nur das Quaken der Thai-Frösche und die scheuernden Gesänge der Zikaden zu hören waren unter einem Sternenhimmel, der selbst den Glanz eines frisch gebackenen Vollmondes überstrahlte.

Veranda

Eingebettet

Urzeit

Fahrt

Food Market

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