Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Amtsschimmel & Rinderwahn…
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Je weiter wir nach oben stiegen, desto mehr begann die Landschaft der Simiens der Gegend in den Bale-Bergen zu ähneln mit leuchtenden, gelbbraunen Hügelfeldern, Lobelien (dieses Mal die Pflanze) und jenem zwielichtigen Eukalyptus. Am Rande eines kleinen Waldstücks wanderten wir durch mannshohe Sträucher mit bezaubernden gelben Blüten.
Kurz bevor wir das Geech Camp auf etwa 3.600m Höhe erreichten, das sich auf einem ungeschützten Plateau befand, über das pfeifend der Wind blies, kamen wir abermals an einer wandernden Gruppe Geladas vorbei.
Einer von denen steckte gerade seinen Kopf aus einem Loch im Boden, so dass ich unfreiwillig an den aberlustigen Eremiten in „Das Leben des Brian“ denken musste: „AUUU, mein Fuß!!“ Es gehörte einiges an Disziplin für mich dazu, mich nicht vor Lachkrämpfen auf dem Boden zu kringeln wie ein frisch ausgegrabener Regenwurm.
Wie gläubige Jünger versammelten sie sich in der Folge um eine Mülltonne und labten sich an den Abfällen ihrer entfernten Verwandten.
Geschafft. Kaum fünf Minuten später saßen wir mit dampfendem Kaffee und leckeren Keksen mit Dattelfüllung in der Nachmittagssonne beisammen und versuchten, Lobelia (dieses Mal die Furie) weitestgehend zu ignorieren, die sich geschäftig in ihrem Zelt zu schaffen machte.
Soll mir recht sein, solange sie einen Mindestabstand zu meinem Tanzbereich einhält.
Auf die Dauer kam das jedoch dem Versuch gleich, sich nicht weiter von einem Güterzug stören zu lassen, während man gefesselt auf den Gleisen liegt.
Am Abend musste ich mich nämlich ordentlich zusammenreißen, denn es vergingen ungelogen keine zehn Sekunden, ohne dass sie irgendwas zu meckern hatte.
Zum Beispiel hielt sie es für völlig unmöglich, dass dieses penetrante Lagerfeuer, neben das sie sich gesetzt hatte, soviel Rauch produzieren musste, quasi direkt neben ihren entzündeten Lungen, das ist doch die Höhe: „WHERE is Abraham!!!“
Anstatt dass sie sich einfach woanders hingesetzt hätte! (Zugegeben, nach dem 1. Thermofumatischen Gesetz der Feuermechanik wäre ihr der Rauch sowieso gefolgt, allein, um ihr die Nutzlosigkeit ihrer tobsüchtigen Rumpelstilzchen-Paroxysmen unter die sprichwörtliche Nase zu reiben.
Aber wer mich kennt, der weiß aus- und inwendig, dass es mir einer persönlichen Beleidigung gleichkommt, wenn jemand auch nur den Hauch eines Etwas an einem Sakralen Lagerfeuer auszusetzen hat!
Ich denke, dies wäre vielleicht einer der ganz wenigen Gründe, weshalb ich eine unsterbliche Blutfehde mit meinem Widersacher einzugehen bereit wäre – ganz schön anstrengend – die sich im Notfall auch auf meine Nachkommen übertragen ließe, wieso eigentlich nicht.
Demgemäß ballten sich meine Hände unmerklich zu hammerschmiedenen Fäusten, und meine Fingernägel bohrten sich derart tief in das zarte Fleisch meiner Handinnenflächen, dass das Blut purpurrot und leise zischelnd hervortrat wie einst Smaug aus seinem Bett aus Gold.
Aaaahahaargh.
Wohlan, überdies war das ein ganz hervorragender Spielplatz für mein Anger-Management, dessen knifflige Prüfung ich am Ende gefühlsmäßig nur um Haaresbreite bestand. …Wer weiß, vielleicht bin ich auch durchgefallen, die endgültigen Ergebnisse sind noch nicht da. Kann sein, da muss ich bis zu meinem ersten Nahtoderlebnis warten.
In der Zwischenzeit jedoch entdeckte ich am Nachmittag durch Zufall einen majestätischen Adler, der auf einem Bäumchen neben unserem Camp saß und sich geduldig fotografieren ließ. Noch nie zuvor hatte ich eines dieser stolzen Tiere aus nächster Nähe sehen können!
Wieso Lobelia den nicht entdeckt hatte, immerhin ist sie doch eine professionelle— AAH, nein STOPP, raus! Verschwinde aus meinem Kopf! Geh weg, geh weg, gheh weeg!
Zu unserer glockenhellen Freude wurde in einer Kaschemme nahebei kühles Bier verkauft. Selbstverständlich gab es „Walia“, da mussten wir uns nicht groß bitten lassen und machten es uns auf einer Bank gemütlich. Im übrigen traf ich dort drei fesche junge Wandersleut’ aus Berchtesgaden respektive Freiburg.
Die Schweine hatten einen äthiopischen Wolf gesehen! Einfach so! Aber ich begrub meinen Neid in einem Gedankenkerker gleich neben Lobelia’s Zelle, und so ratschten wir einige Zeit ausgelassen, bis es Zeit war, noch einmal aufzubrechen.
Denn zum Sunset kletterten wir auf eine Hügelkuppe, und der war in der Tat wie von einem anderen Stern! Wie der Fächer eines asiatischen Gottes brachen die Strahlen der untergehenden Sonne durch eine niedrige Wolkendecke und tauchten das Gebirgsmeer in der Tiefe in goldenes Licht.
Leider pfiff da oben, direkt von Westen, eine eisige Brise unbarmherzig in unsere immer tauber werdenden Gesichter. Ich vermochte die Kamera kaum noch ruhig im Wasser zu halten, so bitterkalt war es, obwohl ich mich in sämtliche Schichten gepackt hatte, die mir zur Verfügung standen. Das war ohne Untertreibung ein ganz schönes Stück harte Arbeit!
Doch wir wurden abermals belohnt, da uns mit dem letzten Streifen violetten Abendrots die Gelada-Truppe einen Salonbesuch abstattete auf dem Weg zu ihren Höhlenbehausungen in den Klippen unter uns.
Die Leithammel mussten einige etwas verzagte Gruppenmitglieder mit schrillen und keifenden Drohrufen dazu bewegen, über die Felskante in den gähnenden Abgrund zu springen und den fast senkrechten Abhang hinunter zu kraxeln. Fast sah es so aus, als ob eine Schar riesenhafter und struppiger Lemminge sich in einem monumentalen Massensuizid in die Tiefe stürzten.
…Naja fast. Aber nach dieser unwirklichen Aufführung kann man angeblich täglich die Uhr stellen. Einige der eitleren Rod Stewarts fanden wiederum ausreichend Zeit, um für uns vor dieser atemberaubenden Kulisse zu posieren, als wüssten sie, dass wir ihr Spektakel abgrundtief geil fanden.
Wie abgehalfterte und ausrangierte B-Stars kamen sie mir vor mit einem ausgeprägten Sinn für Minderwertigkeitskomplexe.
Wow. So. Jetzt aber nix wie runter von dieser Eishölle!
Zum Abendessen gab es Reis mit Gemüse und Hühnchen. Aus irgendeinem Grund scheinen sie Injera zu meiden…
Übrigens war das mein erstes Fleisch seit fast zwei Monaten, und ich muss sagen, in Äthiopien bleibe ich liebend gerne Vegetarier.
Ich weiß auch nicht, was die hiesigen Köche den armen, toten Viechern noch anzutun imstande sind, aber das Zeug schmeckt zumeist wie eine ausgelatschte Ledersohle, da braucht man ordentlich Geduld und guten Kleber für die Dritten, bis man die zähen Fasern von den Knochen hat.
Nach einer herrlich warmen Räucherung verzogen wir uns aber schnell in unsere Zelte, denn Abraham hatte vor, uns früh aus den Federn zu scheuchen, da wir eine ordentliche Strecke zu bewältigen hatten.
Ja, der trudelte am Abend irgendwann ein, nachdem er Dani wie versprochen safe and sound in sein Vehikel nach Gondar gesetzt hatte. Alles wieder gut.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht