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Neues Licht

Die Welt erstrahlte in reinem Licht und neu gefundener Unschuld, während das Wasser sich in den Blütenkelchen sammelte und Kolibris wie aufgescheuchte Pinguine mit Flügeln durch die Gegend summsten.
Insgesamt verbrachte ich etwa eine Woche in diesem friedvollen und verwunschenen Elfenbeinturm.

Doch zum Ende hin geschahen große Dinge!
Wie ich bereits angedeutet hatte, hatte sich ein Gast-Schamane aus dem nördlichen Mexiko angekündigt. Ich weiß nicht mehr genau, wie die Region hieß, aus der er stammte, aber halt da, wo mehr Kakteen als Lianen wachsen.

Auf einmal

Zu viert standen sie auf einmal da, ganz adrett und im traditionellen Gewand: sein Sohn und Lehrling, er selbst, seine Frau, die wunderschöne Armbänder und andere Dinge zu fertigen wusste, sowie seine drei- bis sechsjährige Tochter Evelyn, die uns vom Fleck weg verzauberte und gekonnt unter ihrer Fuchtel hielt.

Denn diese Tatsache wusste sie gnadenlos auszunutzen und begann sogleich damit, uns in ihrem seltsam fiepsenden, doch nicht minder schrecklichen Befehlston herumzukommandieren, bei dem es inhaltlich meist um Papaya-Stücke und Buntstifte ging. Ich sag’s Euch, das wird mal eine ganz Gefährliche, eine Femme fatale, und wir sind schuld, weil wir das Ganze auch noch unterstützt haben!

Versteckt

Nachdem also einige jungfräuliche und darüber hinaus sehr leckere Barsche aus der Lagune seiner Erhabenheit geopfert wurden, machten wir einen Ausflug zu einer versteckten Tempelruine innerhalb der „Zona archaeologica“, und ich fand mich just auf demselben Dschungelpfad wieder, den ich vor wenigen Jahren erst beschritten hatte.

Das war eine schöne Abwechslung.
Obwohl sich dort im Prinzip die gleiche Vegetation vorfand wie im Jardín, nur größer und mehr davon, kam sie mir naturgemäß dichter und wilder vor – dschungeliger eben. Aber vielleicht handelte es sich dabei auch um psychologische Magie.

Späße

Evelyn trieb ihre Späße und versteckte sich zwischen den riesenhaften Wurzeln eines mächtigen Ceiba-Heiligen, während der Rest von uns sich die Hälse verrenkte, um einigen Brüllaffen dabei zuzusehen, wie sie sich durchs Geäst der Baumkronen hangelten.

Das Tempel selbst war eher klein und lag auf einer unscheinbaren Anhöhe im Wald, aber es war immerhin einer der wenigen, die sich erreichen ließen, ohne dafür extra Eintritt bezahlen zu müssen. Dort machten wir eine kleine Verschnaufpause und posierten für diverse Kameras.

Erfrischen

Der eigentliche Höhepunkt bestand in meiner Welt jedoch einhellig darin, dass wir uns in einem glockenhell plätschernden Bachlauf erfrischten, der sich in Kaskaden allmählich seinen Weg nach unten ins Tal suchte.

Das Wasser war herrlich klar und bestimmt auch heilig.
Aber dieser ganze gastfreundliche Aufwand wurde letzten Endes nicht umsonst betrieben, sondern erwies sich dahingehend als haarscharf kalkuliert!

Bespaßen

Weil, es war ja so, dass der Schamane aus dem Norden am darauf folgenden Abend eine „Großvater-Zeremonie“ im großen Tempel des Jardín anleiten sollte. Und damit er ausreichend motiviert und angetan sei, wurde er von uns derweil bespaßt. Daher auch die grobschlächtige Abkehr von unserem ansonsten streng pflanzlichen Ernährungsplan.

Zu jenem Anlass waren auch ein paar Gäste zugegen, die nicht zur Standard-Crew des Gartens gehörten. So begrüßte ich einen gutmütigen, alten Mexikaner mit schlohweißen Haaren und dunkler, wettergegerbter Haut, Arm in Arm mit seiner erstaunlich jungen und zudem recht attraktiven Begleitung aus Italien.

Schlohweiß

Die beiden kannte ich schon von einer früheren Gegebenheit, als am andern Tag ein dritter Schamane, der Nachbar quasi, spontan zu Besuch kam.
…Es gibt ziemlich viele von denen in Mexiko.

Der kam sogar gleich mit einem ganzen Tross von Anhängern einher gezogen, wie eine bunte Schar Latino-Wichte, die das Anwesen und vor allem die sich darauf befindlichen Ceibas mit ein paar Gebeten und Liedern segnen wollten.

Wichte

Das war, also echt, die sind wirklich eine geraume Zeit lang andächtig und ehrfürchtig vor diesen Baumältesten stehen geblieben und haben sie ganz versonnen angeschaut.
Aber gut, dass mir das einfällt, das hätte ich nämlich fast vergessen!

Am Ende ihrer Besuchs- und Segensrunde sollte jeder der dabei Anwesenden vor dem putzigen Altar im Wohnzimmer selbst ein kurzes Gebet hersagen. Sogar wir Bleichgesichter wurden dazu verpflichtet, the more the merrier.

Putzig

Der Rest von unserem deutschen Kontingent schien mit derart befremdlichen Vorgängen bereits vertraut zu sein. Tanja und Elian wirkten cool und abgeklärt, aber ich hab’ überhaupt nicht gerafft, was da vor sich ging, stand da wie ein Ölgötze, im wahrsten Sinn.

Da aber mein rudimentäres Spanisch für eine so bedeutsame Angelegenheit von Grund auf versagen musste, improvisierte ich dahingehend ein paar Zeilen auf Englisch, in einer Art, so dass sie sich halt einigermaßen zeremoniell und gewichtig anhörten.

Zwei Göttinnen

Im Allgemeinen schien diese Strategie auch Anklang zu finden, denn die meisten Indigenos nickten dazu ernst und bekräftigten meine Worte mit einem entschiedenen „Aho!“ oder „Ometeotl!“: so sei es! Oder wie man in Bayern sagt: „Wahrr is!“

Ometeotl bedeutet eigentlich „Zwei Götter“ und wird oft verwendet, um zwei aztekische Gottheiten gleichzeitig anzurufen, nur so, der Form halber.
Ja, mei, was sagt man da, halt irgendeinen Text, in dem so Sachen wie „Nature“, „Pachamama“, „Life“, „Peace“, „Sacred“ und andere New-Age-Vokabeln vorkommen, oder? Geht schon.

Guter Wille

Unser Schamane nahm dieses eigenwillige Schauspiel wiederum mit einigem guten Willen und allseits offenem Gemüt hin, aber etwas später gestand er mir im Vertrauen, dass er mit den Burschen speziell und grundsätzlich eher vorsichtig sei, weil, die würden doch ganz gern auch mal ein bisserl mehr kiffen, und ob das dann noch das Wahre sei, das wisse er freilich nicht.

Alles in allem kam mir der Haufen aber ganz pässlich vor, und beim Abschied umarmten wir uns alle sehr herzlich. Ach, wie ich sie liebe, meine Hippies.
Vor allem über Nathan den Weißen lasse ich aber mal gar nichts kommen. Das war der Alte von vorhin, ein überaus hervorragender Geselle, der mich erst zu diesem kleinen Exkurs verlockt hat.

Seelen

Wir sprachen kaum etwas miteinander, aber wenn wir uns in die Augen schauten, da erkannten wir einander und unsere Seelen fassten sich zum Gruß vornehm an den Hut wie zwei viktorianische Gentlemen, die überdies Bescheid wissen.

Weißte Bescheid. Außer ihm und seiner ungewöhnlichen Freundin gab es noch ein gemischtes Pärchen, in dem Fall mexikanisch-belgisch, und von diesen zweien werde ich später noch mehr berichten, denn ihnen galt meine ganz besondere Aufmerksamkeit an jenem Abend.

In dem Fall beziehungsweise dem weiblichen Part, selbstverständlich nicht in romantischer Manier, das geziemte sich nicht – oder vielleicht doch, wer kann das schon sagen bei diesen komischen Freaks. Für mich zumindest war sie vielmehr in professioneller Hinsicht von Interesse, gewissermaßen.
Nein, das kam jetzt auch falsch rüber.

Geäst

Ruine

Kelche

Ausflug

Nationalpark

Familie

Abkehr

Pause

Femme fatale

Déja-vu

Bachlauf

Bestimmt

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