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Als ich dort war, schien jedoch alles vergleichbar ruhig und sogar friedlich in Granada, was in den letzten Wochen nicht immer der Fall gewesen war. Auch zu jener Zeit noch warnten mich die Leute im Hostel davor, nach Einbruch der Dunkelheit zwitschernd in gewisse Viertel zu marschieren, denn immer wieder zogen marodierende Räuberbanden durch die Stadt und nutzten das Chaos aus, weshalb viele Geschäfte bereits früh am Nachmittag die Eisengatter herunter ließen.
Es kam durchaus zu zwei Demonstrationen mit hupenden Autos, dem wedelnden Blau-Weiß der Nationalflagge* und kämpferisch geschwungenen Fäusten in den Straßen, die jedoch Gott sei Dank friedlich verliefen. Ich selbst hatte keine Angst, denn ich wusste, wie und vor allem wo ich mich zu verhalten hatte, aber- Himmel, ich brauch wohl nicht groß zu erklären, dass Gewalt nicht wirklich was voranbringt.
*Man könnte sich jetzt fragen, wieso Protestanten, die gegen die Regierung sind, fleißig die Nationalflagge schwenken, mithin das Symbol des Landes, welches jener Staatsapparat vertritt. Das liegt daran, dass es sich bei der Regierung um krumm gewachsene Sandinistas handelt, deren Farben schwarz-rot sind.
Indem ihre Gegner also das Blau-Weiß schwenken, zeigen sie, dass sie zwar für das Land, aber gegen einen korrupten und zunehmend absolutistisch agierenden Präsidenten kämpfen. Es ist auch nichts Neues, dass sich einstmalige Rebellen, die vor Jahren ihrerseits für Freiheit und ihre Rechte ins Gefecht zogen, von der Macht korrumpiert wurden und alles, wofür sie vormals einstanden, ins hässliche Gegenteil verkehrten.
Und emsig dreht sich das Rad der Geschichte und scheint zu hängen wie eine zerkratzte Schallplatte. Es ist fast schon faszinierend lächerlich, mit welcher Zuverlässigkeit sich Geschichte wiederholt. Eine großartige Komödie, wenn es nicht so furchtbar real und blutig wäre.
Aber vielleicht grinsen die Buddhisten deswegen immer so schelmisch, wer weiß.
Jedenfalls, auch wenn es unfassbar langweilig sein kann, aber ich denke, es würde tatsächlich helfen, wenn mehr Menschen ihre Geschichtsbücher aufmerksamer lesen würden. – UND WENN DER UNTERRICHT IN DER SCHULE NICHT SO HIRNVERBRANNT ENTSCHLOSSEN DARAUF AUS WÄRE, JEGLICHES INTERESSE FÜR GESCHICHTE IM KEIM ZU ERSTICKEN, HERRGOTT!!!
Aber das Fass mach’ ich heute nicht mehr auf, sonst sitzen wir in zehn Jahren noch hier, denn unser westliches Schulsystem ist noch veralteter und unzeitgemäßer als das Parteiprogramm der CSU, und DAS! Ist eine erstaunliche Leistung.
Wo ich grade von Gespenstern rede, und verzeiht mir bitte den holprigen Übergang, aber so hatte ich noch einmal Gelegenheit, den Christ“sozialen“ eins reinzuwürgen. Aber in manchen Teilen der Stadt, komischerweise auch gerade um den Parque Central herum schien die Stimmung fast gespenstisch: zu Zeiten mutete Granada wirklich an wie eine Geisterstadt.
Und das ist irgendwie verrückt und strange. Denn auf der einen Seite kam es mir manchmal so vor, als sei alles ganz normal und das Leben gehe seinen gewohnten Gang – man hörte zwar immer wieder von Unruhen und Protesten, aber das alles schwebte irgendwo weit oben im Äther, ungreifbar, vage, nicht wirklich real.
Wir wenigen Touristen, die noch übrig waren im Land, befanden uns auch weiterhin in einer bunten Seifenblase, die noch immer schillerte, solange sie kurz davor war, zu zerplatzen. Nur ganz selten wurde man unversehens und abrupt in die Realität zurückgeschleudert.
Und da fielen keine Schüsse und es gab keinen Tumult, der das bewerkstelligte, sondern es waren ganz einfache, ganz alltägliche und nebensächliche Situationen, wo einem auf einmal wieder klar wurde, dass eben nicht alles Sahnecreme mit Schokostreusel war.
Zum Beispiel konnte ich mein Wasser einen Tag lang nicht auffüllen, weil es im Hostel einfach kein Wasser mehr gab. Weil keiner mehr ausliefern wollte oder konnte.
Zum Beispiel wenn Morgan sich Sorgen machte, wie er an Lebensmittel und Getränke für sein Hostel kommen sollte, wenn die einzige Straße vollkommen dicht war.
Oder eben geschlossene Geschäfte um vier Uhr nachmittags, und das nicht wegen der schwülen Hitze.
Gott, ich komme mir so schäbig vor, wenn ich davon berichte, dass ich nach Monaten! Mal für einen Tag wieder Leitungswasser filtern musste, wohingegen in anderen Teilen des Landes jeden Moment Menschen verletzt werden oder gar sterben konnten.
Aber was soll ich machen, so habe ich es eben erlebt.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht