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Festungsmauer

Geschüttelt, nicht gerührt wankten wir die letzten Meter ins „Greengos“, eines der weit verstreuten Hostel-Resorts um jenen begehrten Flussabschnitt von Semuc Champey. Es gehörte einem ausdauernd gut gelaunten Israeli, dem die isolierte Lage seiner Schafe nur zu bewusst war und die Speisekarte dementsprechend arrangiert hatte.

An dieser Stelle muss ich jedoch gestehen, dass wir mit der Übernachtung noch einigermaßen glimpflich davon kamen; der offensichtliche und doch wohl platzierte Lockvogel.
Auf den ersten Blick wirkte es recht gemütlich mit seinen Holzhütten, doch gab es überraschend wenig Möglichkeiten zum Chillen und Faulenzen, und überhaupt: viel zu wenig Hängematten! Dafür einen Beachvolleyballplatz. Na gut.

Eigentlich

Doch dieser Umstand wollte uns nicht so recht in den Sinn, wenn man bedenkt, dass sich die Gebäude in diesem beschaulichen und üppig grünen Gebirgstal um eine großzügige Gartenanlage gruppierten. Selbst einen idyllischen Ort für meinen morgendlichen Sonnengruß zu finden fiel mir nicht leicht.

All das bestärkte uns in dem Entschluss, ja nicht länger als zwei Nächte hier zu bleiben. Zumal die vermeintlich süßen Hüttchen so massiv gebaut waren, dass das ganze Anwesen eher einer Festung glich; vielleicht der unterbewusste Nachhall einer wenig geruhsamen Zeit beim israelischen Militär.

Steil

Blieb uns also ein Tag, um unsere Badesachen herauszukramen und den hoch gepriesenen Flusspark abzuchecken, der selbstredend Eintritt kostete.
Eines muss man den Guatemalteken lassen, für’s Geld haben sie ein Gespür und schlachten es kaltschnäuzig aus. Dass man für eine pittoreske Mülldeponie nichts berappen muss, ist grad alles.

Bevor wir uns der Hauptattraktion des gemächlichen Plantschens hingaben, folgten wir einem kleinen und steilen Waldpfad einige Hundert Meter nach oben zu einem „Mirador“ (Aussichtspunkt), vorbei an alten Müttchen, die Kokosnüsse, Mangos und Melonen feilboten.

Wunde

Als wir oben anlangten, riss ich wie erwartet erstaunt die Augen auf: „Ach, deswegen.“
Weit unter mir klaffte eine türkisne Wunde in der bewaldeten Schlucht mit aufreizend geschwungenen Stufenbassins, in denen sich das jungfräulich schillernde Gebirgswasser tummelte, bevor es über glitzernde Felsen kaskadenartig und in der Hitze fast unwillens stetig nach unten plätscherte.

Ach. Deswegen. Alter Schalter, das ist tatsächlich was, das hab’ ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen. Wie von selbst erhob sich meine Kamera aus ihrem dunklen Loch an meiner Hüfte, holte tief Luft und krempelte herausfordernd die Verschlussklappe nach oben: es gab viel zu tun.
Ich selbst war zu paralysiert von dieser unbeschreiblichen Schönheit.

Entspannt

Es war einer dieser Momente, in denen mir klar wurde, dass darin der eigentliche Zweck meines Lebens liegt: nämlich der Suche nach jenem süß duftenden Ambrosia, das mich zurückzuführen scheint an einen Ort und eine Zeit, die wir lange schon vergessen haben. An einen Ort und eine Zeit, wo es gar keine Orte und Zeiten gab. Es ruft in uns eine scheue Erinnerung wach, wie es früher einmal war – vor dem Fall.

Doch genug der schwülen Mystik und rein ins glucksende Vergnügen! Stunde um Stunde verbrachten wir in diesem Paradies, jenem Gemälde aus kühl schmeichelnden Farben, das unsere erhitzten Körper in eine saftig klare Decke aus prickelndem und sanft kitzelnden Kristall hüllte.

Yep…geil

Fische knabberten an unseren Füßen, während wir in Schwimmpausen auf den feuchten Felsen saßen und diese einmalige Umgebung ausgierig in uns aufsogen. Vorsichtig huschten wir über die glatten Steine hin zu neuen Augenfreuden, kleinen trockenen Inseln im blau-grünen Wasserteppich, vom Ufer aus blickten uns schattige Baumgrüppchen entgegen, volltrunken und satt mit ihren fläzenden Wurzeln in diesem ewigen Festmahl.

Ungläubig beobachteten wir einige quietschende Jungs aus der Gegend, wie sie bar Fuß und jeglicher Rücksicht in einem Affenzahn über jene vermeintlich glitschigen Fallen jagten und heiser johlten in ihrem pubertären Spiel.
Wie schaffen die es, dass sie sich nicht alle Knochen brechen? Wahrscheinlich war ihr Übermut so groß und schnell, dass die Physik keine Chance hatte, hinterher zu kommen und sie zum ersten Mal seit Newton sämtliche Kräfte verließen.

Großes Fressen

Lange saßen wir noch da und genossen dieses zugefallene Spektakel. Die Sonne hing schon gefährlich in den westlichen Seilen, als wir es endlich schafften, uns loszureißen aus diesen elysischen Gefilden und randvoll bis unter die Schädelklappe mit Endorphinen zurück zum Hostel marschierten. Immerhin war es nicht weit.

Mit Verlaub, das kann schon einmal eine Reise inklusive Organ-Pinball wert sein. Da uns das Greengos jedoch auch am zweiten Abend nicht sonderlich sympathischer wurde, buchten wir für den nächsten Tag stracks einen Shuttle zum Lago Atitlan. Sein Ruf erschallte immer lauter in meinen Adern und zog und zerrte mich wie der Mond das Meer.

Inseln

Nach einer weiteren, scheppernden Gewaltsfahrt mit dem formidablen Monster-Truck trafen sich denn alle verstreuten Touris in Lanquin wieder, um verladen zu werden auf ihre jeweiligen Minibusse. Meine Augen brauchten eine Weile, um zu fokussieren, es war sieben Uhr morgens und das Innere meines Körpers bereits ein Monkey Ass Smoothie, doch letztendlich bestand kein Zweifel:

Da waren sie, unsere Dschungel-Companeros: Patrique, Dennis und Gianna. Ja griaß eich! Beide letzteren fetzten allerdings nach Antigua, doch hatten wir das große Vergnügen, den schelmischen Franzosen auf unseren Bänken zu wissen, und diesmal ganz smooth ohne Beer Bong Bitches.
Entschuldigung. Fällt Euch ein weniger anstößiges Wort mit „B“ ein? Trotzdem, ich find’, das passt ziemlich gut, rein lautmalerisch selbstredend.

21st Century Digital Tourist

Knabbern

Kristall

Barfuß

Interessenkonflikt

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