Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Gedankliche Ausschweifungen…
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Jetzt aber genug davon. Was mich an diesem ganzen Hergang jedoch überraschte, das war der eigentümliche Umstand, dass ich, zumindest in mir und für mich, relativ gelassen, ruhig und zentriert bleiben konnte.
Immerhin hatte ich das Gefühl, dass mir das in der Vergangenheit alles andere als leicht gefallen und geschweige denn von Erfolg gekrönt war. Zudem war ich nicht eben ausgeglichen in diese Reise gegangen.
Ob es nun an den durchlebten Zeremonien, den Menschen um mich herum oder einfach an der Qualität der Zeit lag, die bis dahin vergangen war, kann ich nicht mit letzter Sicherheit ergründen. Das muss auch gar nicht sein, denn ich denke mir, es ist wie so oft eine Mischung aus allen Dingen, nicht wahr. Wir sind hier ja nicht im Labor.
Zu dem Zeitpunkt fühlte ich mich nicht nur richtig wohl in meiner oberflächlich arg geplagten Haut, sondern ich erlebte mich in einer Weise zufrieden und in mir selbst gefestigt, dass neben mir eine Supernova hätte explodieren können. Bei dem Spektakel hätte ich nur leise und amüsiert gegähnt – was ich sehr gerne tue.
Und das war eigentlich das Bemerkenswerte daran:
Wenn man mir bei manchmal so zuhört, dann mag man sich ja schon fragen, ob ich jemals auch nur eine Zehe auf den Erdboden brächte oder vielmehr nur vergeistigt durch den Äther pflüge. Aber selbstverständlich gab es immer wieder Phasen in meinem Leben, in denen ich durchaus geerdet war und einen angenehmen Frieden in mir verspürt hatte.
Dieses Gefühl war mir demnach nicht neu, aber es bildete eine schöne Abwechslung zu den eher unsteten Zeiten davor, und darüber hinaus gewann es eine andere Qualität, fand ich. Es kam mir tiefer vor, fester, nicht rigide in dem Sinn, doch stabil und so still, als ob die Ruhe selbst endlich zur Ruhe gefunden hätte.
Als sei ich in eine neue Dimension eingetreten, ganz ungewohnt fühlte sich das an. Ich will nichts verschreien, aber es könnte durchaus sein, dass ich auf meinem langen, langen Weg der Ganz(er)werdung einen verschütteten Meilenstein wieder entdeckt und in einem Zuge überquert hatte.
Als ob ich näher zu mir gerückt, mehr „Ich“ geworden sei, und dass dieser Zustand vielleicht sogar von kurz oder langer Dauer sein könnte. Sicherlich nicht in einer absoluten Manier, dass nichts und niemand mehr in der Lage wäre, mich zu piesacken. Aber ich wage zu hoffen, dass gewisse Stressfaktoren oder Lebensumstände von nun an nicht mehr die Macht auszuüben imstande sind, die sie vorher besaßen.
Ich möchte irgendwann halt dahin kommen, immer mehr Selbstverantwortung zu übernehmen, was ein grauenhafter und dazu ein schwammiger, weil zu Tode getrampelter Begriff ist, und weil ich ihn nicht gut verstehe.
Aber dass ich zumindest in die Lage versetzt werde, auf herausfordernde Situationen oder Ereignisse adäquat zu „antworten“, mit soviel Selbst wie möglich, und damit meine ich nicht mein Ego.
Das Ego ist praktisch nur ein Teil von dem, was mich als ganzen Mensch wirklich ausmacht auf dieser Welt, mein Spiegel, hinter den ich gelangen und dem ich auf den Grund gehen will. Ich muss mir ja auch selber antworten können.
Wer weiß, vielleicht bin ich am Ende ganz wer anders. Man wird sehen.
Jedenfalls gefiel es mir, dass ich mir im Zuge dieser ganzen Klamotte keinerlei Sorgen machte oder von übersteigerten* Ängsten aus der Bahn geworfen wurde, vielmehr verfolgte ich das Geschehen mit fast schon wissenschaftlichem Interesse, doch hoffentlich mit einer Anteilnahme und Empathie, die einem Akademiker in der Natur der Sache oftmals verwehrt bleiben muss. Man wird sehen.
*Jetzt wollte ich eigentlich den Ausdruck „irrationale Ängste“ verwenden, aber im gleichen Moment gelangte ich zu der Ansicht, dass es so etwas eigentlich gar nicht geben kann. Oder? Im engeren Sinne sind Ängste doch niemals rational, sondern eben emotional bedingt; man meint halt „nachvollziehbar“.
Aber so gesehen erscheinen mir wiederum sämtliche Ängste als nachvollziehbar, weil sie ein jeder kennt und im Optimalfall sogar weiß, woher sie kommen. Manchmal überschlagen sie sich nur und werden zu körperlosen Berserkern, so.
Sie sind auch nicht „eingebildet“, denn irgendwo entsteht ja die gesamte Welt, so wie wir sie sehen, in unseren Köpfen, eben durch die Verarbeitung dieser Eindrücke.
Am Ende ist das Huhneierei, und wie man das sehen mag, darüber sollen sich andere streiten, das ist mir zu müßig.
Entweder ist alles Einbildung oder alles real oder beides. Aber wenn ein Völkermord echt ist, dann ist es die Angst auch. Weil wir sie erleben und sie psychisch wie körperlich was mit uns macht. Man kann sie uns „ansehen“.
Jetzad aber, wo waren wir?
Richtig, in der Mitte. Einmal wurde ich tatsächlich aus ihr und fast vollständig aus mir selbst hinausgeworfen, allerdings auf eine sehr charmante und reizvolle Art und Weise. – Bis ich den Sonnenbrand auf meinen Schultern bemerkte.
Eines Tages wanderte ich mit einem der Jungs den lang gezogenen Hauptstrand auf der anderen Seite des Fischerhafens entlang, um den Surfern beim Wellenreiten zuzuschauen. Das muss dort wohl auch so ein eigener Mikrokosmos sein, da drüben finden regelmäßig Wettbewerbe statt und so Zeug.
Am jenseitigen Ende des Strands machten wir es uns auf ein paar Felsen gemütlich, und ich verlor mich vollkommen im ansehnlichen Tun der oft wirklich klischeehaft blonden Burschen und Mädels, in dem machtvollen und gleichmäßigen Rauschen der Brandung.
Mit meinen Blicken klebte ich an diesen flüchtigen Höhlengängen aus flüssigem Glas, die in der Sonne glitzern wie eine von zahllosen Edelsteinen benetzte Zwergenmine, wenn sie sich so anmutig bauschen, sich weit und immer weiter auftürmen, bis sie sich nicht mehr halten, es nicht mehr aushalten können!,
und sich endlich mit einem erleichterten Seufzen überschlagen und in weißen Schaum verwandeln, der knistert und prickelt wie derselbe in meinem Milchkaffee, und der mir fast ein wenig vorkam wie die Zigarette danach.
Als ob das Meer selbst endlich zur Ruhe gekommen wäre.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht