Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Erkenntnishandel…
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So träumte es mir des Nachts, dass ich selbst Vater bin. …Neeeein, nicht der von Luke Skywalker. – Wobei…
…Da war ein Haus, ich weiß nicht wo oder welches, und ein wunderschöner Sohn, ein Kleinkind noch, mit glatten, schwarzen Haaren und leuchtenden, glücklichen Augen.
Und glücklich waren wir. Obschon allein und nur zu zweit, wie es den Anschein hatte, waren wir alles, was wir im Leben brauchten. Wir spielten, ich warf ihn hoch in die Luft und fing ihn wieder auf in meinen Armen, und wir lachten und lachten. Er hatte noch keinen Namen, und ich wusste nicht, wo oder wer seine Mutter war.
All das schien auch nicht weiter wichtig zu sein.
Noch nie hatte ich einen derartigen Traum, und bis heute weiß ich nicht so recht, was er mir sagen wollte.
Das war in der Nacht zum Sonntag. Nach der Messe wanderte ich hinauf auf den Abune-Yosef-Berg – nun, vorerst bis zum Ticket Office für das Kloster, das sie clevererweise vor dem Gipfelaufstieg dort hingepflanzt hatten.
Aber ach, es dauerte keine zehn Minuten, da umschwärmten mich schon wieder kleine und größere Schrazen, die auf meinen Nerven Kontrabaß zu spielen begannen und mich emotional misshandelten. Oh, ich versuchte, ruhig zu bleiben. Ich versuchte, mit all meiner Kraft, sie zu ignorieren, aber sie klebten an mir wie eine Klette mit übersteigertem Liebesbedürfnis.
Und nach zweieinhalb Monaten war ich einfach weichgekocht. So dass ich irgendwann nach dem zehnten „Money? Pen? Money?“ in der Tat gestresst und genervt reagierte – ohne jedoch ausfallend oder bösartig zu werden, wohlgemerkt. Zum Dank gaben sie mir zum Abschied ein fröhliches und lang anhaltendes „Fuck you!“-Konzert.
Damit muss man eben rechnen: man bekommt in Äthiopien immer und umgehend die Quittung an die Stirn getackert.
Aber das kann ich auch. Als mich zur Abwechslung einmal nette Passanten fragten, wie es mir denn ginge an diesem herrlichen Tag, da beschwerte ich mich bei ihnen bitterlich über jene verzogenen Gören, die kurz zuvor einen anderen Weg eingeschlagen hatten, dem Himmel sei Dank. Weit gekommen waren sie allerdings noch nicht, und so zeigte ich anklagend auf sie; was sie auch zu bemerken schienen.
Postwendend wurden sie von meinen Schutzengeln zornig auf Amharisch angefaucht und bekamen so wenigstens ihr Fett weg. Aber was bringt’s! Zu jenem Zeitpunkt ging’s mir sowieso schon beschissen: ich war stinkwütend, frustriert und von der Menschheit und der Welt im Allgemeinen wieder einmal enttäuscht.
Obendrein schämte ich mich auch noch meiner Wut, weil ich auch das so gelernt hatte.
Keine fünf Minuten später kamen mir zwei Typen entgegen: „Wherre arre you frrom?“ Seufz. Mit aller Gewalt riss ich mich zusammen und erwiderte gepresst: „Germany.“
Das wiederholte der eine ein paar Mal gedankenvoll, bis aus seinem zugemüllten und verkorksten Spatzenhirn ein folgenschwerer Befehl an das Sprachzentrum erging: „Aaah! Hitlerr!“
Da platzte mir der Kragen. Da platzte mir aber SOWAS von der Kragen: Nein, nicht der! Nicht dieser Quadratsdepp!! Mit Verlaub, ich habe mir das schon dreitausendmal und durchaus mit einem schiefen Lächeln anhören können, aber nicht an dem Tag! Nicht von jemandem, der – ach, zum Henker.
Also schrie ich sie an, was die Scheiße soll, ob das äthiopische Gastfreundschaft und was im übrigen das Problem mit den Leuten hier sei und dass ich die Schnauze aber SOWAS von gestrichen voll- „HUTMACHER!!“ – „…Alleswiedergut.“
Mei, es machte tatsächlich nicht viel Sinn, was ich ihnen da vor den Latz rotzte, aber was einem halt so in den Sinn kommt, wenn das Stammhirn übernimmt.
Damit hatten sie allerdings nicht gerechnet. Denn sie schauten mich nur dumm und verständnislos an wie zwei Mondkühe, bis ich sie ankeifte, sie sollen sich verdammt nochmal schleichen, aber fix! – und ich ebenso fix meines Weges zog, bevor noch ein Unglück passierte.
Himmel Herr Josef, hat das gut getan!
Im Ernst, ich bin noch nie derart erbarmungslos, und konsequent!, psychisch vergewaltigt worden wie in diesem Land. Dass ich da auch meinen Teil für konnte, war mir sonnenklar – aber was bringt’s! Ich kam generell einfach nicht sonderlich gut mit den Leuten dort klar, selbst wenn es sich nicht derart eklatant manifestierte wie an jenem schicksalhaften Tag.
In dem Moment musste ich mir auch wieder ins Bewusstsein rufen, dass fast das ganze Land im Prinzip ein gigantisches Gebirge ist. Versteht mich nicht falsch, und ich will nicht generalisieren, zumindest nicht bewusst, das heißt, ich kann nichts dafür! Ich liebe Berge und in den Bergen zu sein, aber Bergvölker… Also die waren mir immer schon tendenziell suspekt.
Da scheint irgendwie die Grundschwingung nicht zu stimmen. Und Geografie macht was mit den Leuten, keine Frage. Schaut Euch doch die Skandinavier an mit ihren Schwarzbrennereien und Selbstmordraten, ungeachtet vorbildlicher und weit fortgeschrittener Sozialsysteme. Schroffes Land scheint schroffe Gemüter zu gebären… wie gesagt: tendenziell.
Aber um wahrhaftig über derart liederlichen Machenschaften stehen zu können und das alles gleichmütig über sich ergehen zu lassen, braucht man die Geduld und Zentriertheit eines Heiligen.
Die ich trotz aller Meditation und geistiger Übung nach wie vor nicht besitze. (Aber bald! golllummm…) Im Gegenteil, mir langt’s. Querbeet und kreuzweise! In drei Wochen fliege ich heim, und ooh, ich bin so dermaßen froh drum und so Gott es gefällt, werde ich niemals mehr auch nur den kleinen Zeh in dieses Land halten!
Ihr seht, allerspätestens zu jenem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr objektiv sein.
Selbstverständlich traf ich auch weiterhin überaus freundliche und tolle Menschen, aber diese schönen, schönen Seelen vergingen im Angesicht solcher Missetaten wie Sternschnuppen in einer eisig kalten Winternacht.
Es ist wie es ist in der Unterhaltungsbranche: ohne eine gewisse, aufgematschelte Dramatik lässt es sich nur schwer Geschichten erzählen. Das können nur Magier wie Jim Jarmusch oder die Coen-Brüder. Dergestalt nehme auch ich mir gerne eine Prise dichterische Freiheit heraus, denn für mich war und ist sie der Honig im Kuchen des Erlebens.
Aber es gab sie, die guten Menschen von Äthiopien.
Und ich werde es Euch beweisen!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht