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Metropole

Irgend etwas lag da aber auch in der Luft in Harar, das nicht nur mich agro machte stellenweise. Immer wieder kam es zu Handgreiflichkeiten nicht nur der männlichen Bevölkerung, und nicht immer nur im Halbspaß.
Ja, es schien ein bunter und ein harscher Ort zu sein, keine Frage.

Das erschien mir wiederum eingängig, wenn ich seine Vergangenheit als florierende Handelsmetropole zwischen Europa, Asien und Afrika bedenke.
Faszinierend zudem, allem voran seine schnucklig-geschäftige Altstadt „Jugol“, deren Labyrinth aus Gässchen und Winkeln und bröckelnden Mauern ein wenig an eine marokkanische Medina erinnerte; allein ihr fehlte der gebackene Charme aus braunem Wüstensand.

Auf der Lauer

In das gewachsene Ensemble dieses zum großen Teil muslimischen Ameisenhaufens mit kaum einem Kilometer Durchmesser zwängten sich nach offiziellen Angaben etwas über 80 Moscheen, wobei viele kaum zu unterscheiden waren von normalen Wohnhäusern. Lediglich ein unscheinbarer Lautsprecher, der in einem Mauerwinkel auf der Lauer lag, verriet die religiöse Mausefalle.

Nichtsdestotrotz, das ist schon bemerkenswert! Ich weiß nicht, ob es im ganzen Stadtgebiet von München so viele Kirchen gibt. Da können sich die Bayern eine helal-Scheibe von abschneiden, wohl bekomm’s.

Kaleidoskop

Demzufolge stieg auch das Aufkommen an Sarongs, kunstvoll geschwungenen Schleiern und gleißend verzierten Hijabs, wo ich das Gefühl hatte, in ein hypnotiserendes und farbenprächtiges Kaleidoskop zu fallen, das niemals aufhört.
Wiederum schien die Gleichung zu gelten: Oromiya = Islam.

Kultur

Bevor ich mich jedoch in das Straßengewirr von Jugol stürzte, um mich ganz bewusst und gewollt zu verlaufen, suchte ich mir erst einmal eine neue Bleibe. Denn im Stadtkern gab es zudem eine stattliche Anzahl alter, traditioneller Häuser, sogenannte „Adare“, deren zwei Stockwerke sich meist um einen niedlichen Innenhof gruppierten.

Diese waren, wie scheinbar die meisten Behausungen in Äthiopien, aus einem Holzgerüst aufgebaut, das mit Lehm zugespachtelt und anschließend ordentlich geweißelt wurde. Das Wohnzimmer besteht aus zwei bis mehreren Plattformen, wo sich die Herrschaften gemäß ihres Standes verteilen und deren rote Farbe an den Widerstand gegen den bösen Schurken Menelik erinnert.

Es hingen oft so viele Körben und Servierschalen an den Wänden, dass ich mich wunderte, warum sie nicht unter dem Gewicht einstürzten. In kleinen Nischen standen Tassen und Töpfe, der eine oder andere Qu’ran oder auch ein Ghettoblaster, je nach spiritueller Facon.

Gefangen

Angeblich müssen ja frisch Vermählte nach der Hochzeit eine Woche lang in einer winzigen Zelle ausharren und werden von der liebenden Verwandtschaft durch eine kleine Luke mit Essen und Wasser versorgt – Symbol ihrer lebenslangen Gefangenschaft, in die sie eben freiwillig und mit offenem Herzen eingetreten sind.

Vielleicht ist das so eine Art Härtetest, oder Feuertaufe. Wenn sie das aushalten, ohne sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen, dann müssten sie schätzungsweise den Rest ihres gemeinsamen Lebens auch irgendwie hinkriegen, werden die sich denken.
Schöne Flitterwochen sind mir das, und doch trefflich auf eine gewisse zynische Art und Weise. Aber wieso erzähle ich das alles?

Showroom

Nun, einige dieser Adare sind heutzutage in „Cultural Guest Houses“ umfunktioniert worden, und harte Touristen wie ich stehen da voll drauf.
Leider wissen sie das auch mittlerweile, weshalb die Preise für eine Nacht eher gesalzen serviert wurden.

Zu guter Letzt fand ich mithilfe eines sehr freundlichen Zeitgenossen* jedoch ein recht adrettes Exemplar für etwa dreizehn Euro die Nacht, wobei ich jetzt nicht sagen kann, ob es sich wirklich, wirklich um so ein Haus handelte und in seiner Tradition quasi auch noch authentisch war – Das wär’ tatsächlich der Hammer gewesen – oder ob die Family eigens für diesen Zweck einen Showroom eingerichtet hatte.
Das Setup jedenfalls stimmte; nur Speere konnte ich keine entdecken.

Gebieterisch

*Der Typ, ne? Das war weder ein Guide noch wollte er am Ende Geld von mir, sondern begnügte sich damit, einem hilflosen Fremden ein wenig weitergeholfen zu haben. Gut, vielleicht streicht er von denen Provision ein, que se yo, aber, ein wenig fassungslos und vor den Kopf geschlagen war ich da schon nach der ganzen Aktion.

Befreien

Der Innenhof war jetzt nicht so schön mit Pflanzen verziert und hergerichtet wie manch ein anderer, und ich bekam leider kein Banana Pancake-Frühstück mit Omelett und Nutella. Allerdings durfte ich im oberen Stockwerk residieren, dessen kühn geschwungener Balkon mir einen gebieterischen Ausblick über die Stadt sowie einige Ausläufer der umliegenden Berge bescherte.

Wollen wir mal nicht meckern.
Mein Zimmer hätte gewichts- sowie umfangstechnisch eine oberbayrische Sippschaft beherbergen können und verfügte sogar über eine kuschlige Meditationsecke, die mit einem reich bestickten Teppich ausgelegt und noch größer war als das scheinbar uferlose Bett, wo ich jeden Morgen fast eine halbe Stunde brauchte, um mich daraus zu befreien.

Zufrieden

Gott sein Dank rief der Muezzin nebenan schon um Fünf zum Morgengebet.
Es gab nur ein, zwei kurzzeitige Stromausfälle, und die traurig herabhängende Steckdose funktionierte tadellos.

Herzhaft

Das Gemeinschaftsbad erinnerte mich an ein abgefucktes türkisches Hamam, ich hätte da drin eine Cocktail-Bar eröffnen können – mit Schirmchen. Leider gab es dort keinen Spiegel, weshalb ich mit Rasiercreme im Gesicht und wehendem Handtuch einem Seidenschleier gleich ins Nebenzimmer im oberen Stock laufen musste, um mich zu rasieren.

Alles in allem zusammengerechnet war ich also glücklich und zufrieden. Meine Gastgeber sprachen kaum Englisch und ließen mich weitgehend in Frieden, und so verspeiste ich artig jeden Morgen meinen babbsüß fritierten Teigfladen mit Honig, den ich beherzt mit zwei, drei Gläsern Schwarztee hinunterspülte.

Aber verstehen kann ich sowas ja nicht. Wieso um Allah’s unergründlichen Willen trinken die Menschen im Herz- und Mutterland des Kaffees dieses gefärbte Luckeleswasser, dass sie dort wie überall Chai nennen?

Zugegeben, meine Geschmacksnerven sind jetzt nicht die feinfühligsten, und ich trachte nach deftigerer, herzhafterer Kost. Also auf in eines dieser lauschigen Straßencafés mit seinen immerbunten Plastikhockern, denn es war höchste Zeit für Bun-na!

Winkel

Flattern

Charme

Gasse

Bröckeln

Broken Morning

Aussicht

Schleier

Trash-Medina

Jugol

Schnucklig

Geschäftig

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