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Man spürte deutlich, dass Myanmar noch nicht vom bereits durchstartenden Tourismus verseucht war. Zwar waren schon einige Reisende dorten unterwegs, aber lange nicht so viele, wie ich eingangs befürchtet hatte. Die Einheimischen waren aufatmend offenherzig und dabei so echt und unverfälscht, dass ich aufgrund meiner sorgfältig gepflegten und frisierten Paranoia beinahe schon wieder misstrauisch wurde.
Ach, aber die ersten Anzeichen spürten wir bereits kommen.
Abends schlenderten wir oft in die 19th Street, einer quirligen und summenden Ausgehmeile mit Grillrestaurants und Bars in Reih und Glied. Da wurde fröhlich geschnattert, getrunken und gegessen, eine tolle Atmosphäre!
Zu jenem Zeitpunkt befanden sich die Locals noch in der schlagenden Übermacht, aber in spätestens vier, fünf Jahren dürfte es dort ähnlich aussehen wie auf Bangkoks berüchtigter Reeperbahn. Ein Laden nannte sich auch schon „Ko San Restaurant“; ein düsteres Omen. Als ich daran vorbeischlenderte, umwehte mich trotz der tropischen Temperaturen ein eisiger Windhauch, der mich frösteln ließ.
An einem Nachmittag unternahmen wir eine Rundfahrt durch die Stadt und das nahe Umland mit der Circle Line, einer nostalgisch schrottigen Eisenbahn auf eigenwilligen und schäppsen Schienen.
Die bewegten sich wirklich und sichtbar, wenn die alte Dinosaurier-Lok da drüber rumpelte, so dass man sich am Ende wunderte, dass das Ding NICHT entgleiste.
(Für meine Oma: Wir waren natürlich nicht so leichtfertig und dumm, sondern haben den… Mist.)
Ein sichtlich armes Land war es (Nummer 149 von 186 Staaten oder so auf der Rangliste des gescheiterten Gewissens) mit entsprechend viel Müll in Straßengräben oder den kleinen Flüssen und Rinnsalen, die die Gegend wie eine mittelalterliche Kloake durchzogen. Das Ausmaß jener beiden Faktoren scheint stets brav zu korrelieren.
Nur ein Beispiel: ein Lehrer verdient dort circa 100 Dollar im Monat, was im Normalfall bedeutet, dass seine Frau sowieso auch arbeiten und er selbst einen Zweitjob annehmen muss, bei dem er oft um einiges mehr verdient.
Dementsprechend muss es um deren Motivation und damit um das allgemeine Bildungsniveau bestellt sein, welches eh schon von Jahrzehnten aufopferungsvoller Diktatur vergewaltigt worden ist.
Je weiter wir aus Yangon hinaus zuckelten, desto ansehnlicher wurde die Szenerie mit ihren flachen Reisfeldern, auf denen Bauern mit breiten Sonnenhüten arbeiteten. Ein paar Jungs spielten „Chilton“ (eine Art Fußballtennis) vor pittoresk verfallenden Holzhütten.
Wenn es keine Bewässerung gibt, binden sie sich zwei große Gießkannen an eine Stange, die sie über der Schulter tragen und marschieren dergestalt über ihre Felder. Clevere Idee, sowas hab’ ich auch noch nicht gesehen.
Wir schlossen den Schienenkreis nicht ganz, sondern stiegen in Kanbe aus, einem einladenden Vorort mit einer langgezogenen Marktstraße und gut gelaunten Menschen im weichen Licht der Abendsonne.
Dass es Rikschas (sprich: „Trishaws“) dort gab, dürfte wohl niemanden groß verwundern, aber! Die hatten einen SEI-TEN-WA-GEN! Hahahahagluckshnnng. In denen sitzt ein Fahrgast mit Blick nach vorn und einer mit Blick nach hinten; wie fantastisch geil ist das denn! Zugegeben, die Romantik leidet etwas unter diesem Arrangement, aber es gibt ohnehin zu viele Menschen auf der Welt.
Was dann folgte, war so unausweichlich wie ein Meteoritenregen.
Schwupps, schon saß ich auf dem Sattel von einem dieser grandiosen Dinger, dem Fahrer neben mir war aber gar nicht wohl im Leib, ganz nervös schaute der drein.
Unter den Anfeuerungsrufen der gackernden Umstehenden fuhr ich also meine ersten Meter auf einer Trishaw mit Seitenwagen. Check.
Der arme Kerl wird sich in dem Moment bestimmt gedacht haben, dass das eine horrende Schnapsidee war und sah uns wohl schon im Graben landen.
Pff. Als ob.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht