Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Was, wenn…
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In diesem Beitrag sind nur vereinzelt Bilder vorhanden und es werden keine Namen genannt aus Respekt vor der Privatsphäre eines jeden Piraten und Zauberers, einer jeden Hexe und Priesterin, die am Camp teilnahmen. Bilder sind zwar einfacher und oft treffender als Worte, doch an dieser Stelle reichen selbst diese bei weitem nicht aus, das Erlebte auch nur annähernd zu beschreiben.
(Anm. des Sammlers)
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Da wurde es stiller und ernster, mehr und mehr Herzen zogen sich in sich selbst zurück, ich war demgemäß keine Ausnahme. Ich kann gar nicht mehr sagen, was im einzelnen wirklich in mir vorging, ähnlich wie das verspielte Lichtgefühl am Tag erschien mir die Gravitation jener Dunkelheit nicht greifbar, vielmehr gesichtslos, obskur.
Ich spürte nur eine namenlose Schwere, die tief und weit in mir wallte, ein fast verzweifeltes Ziehen und ein Zerren in meinem Bauch, die einstmalige Leichtigkeit und Freude wich ihrer vom Schmerz erfüllten und gezeichneten, aber auch besonneneren Schwester, in deren Gesellschaft die Welt sich zusammenziehen und zu verdichten schien und mich näher zu mir selbst brachte.
Da war er wieder, der alte Brocken, und mir war, als ob all meine Qualen dort heraus kämen. Nach den ersten Stichen und fiesen Attacken fand ich aber, dass ich mich selbst an diesen Urschmerz gewöhnen konnte. Mehr noch, irgendwann fing ich sogar an, ihn zu genießen: seine Kraft und die machtvollen Wogen, die durch mein Inneres brandeten… Das war fast wie mit der „Wilden Maus“ zu fahren.
Jeder Wellenschlag brachte mich noch tiefer und näher zu mir, eine neue Verbundenheit stellte sich ein, und ich fühlte mich irgendwie ganzer, vollständiger.
In dem Moment traf mich die Erkenntnis wie der Blitz aus einem kristallklaren Himmel!
Dieser unliebsame und ungebetene Felsen aus angestauten Gefühlen, der mich wie ein Lotgewicht stets in eine bodenlose Kluft zu ziehen trachtete, um mich böswillig zu ertränken, war in Wirklichkeit – eine Schatzkiste!
Eine eisenbeschlagene Truhe angefüllt mit Diamanten, Rubinen und Smaragden, mit schneidend scharfen Kanten, aber wunderschön, funkelnd und glitzernd in ihrer einmaligen Vielfältigkeit!
Schon lange wollte meine Seele sie alle ausprobieren, sie tragen und erfahren und kosten, aber ich armer Trottel hatte es ihr all die Jahre verwehrt. All die negativen Gefühle, die ich nicht spüren wollte, waren unweigerlich in dieser Schatztruhe gelandet und warteten, warteten darauf, endlich wieder zu Tage zu treten und im strahlenden Glanz der Sonne meines inneren Lichts in gänzlich neuer Pracht zu erstrahlen!
Oder so. Zumindest wurde mir klar, dass ich mein Leben im Grunde genommen nur halb lebte, solange ich jene schwarzen Perlen aus purem Erleben immerzu vergrabe, gut versteckt, das „X“ markiert den Punkt. Heuureka, wa?
Bis zu diesem Gedankenblitz war allerdings einige Zeit verstrichen. Erst weit in der Nacht brachte das sanfte, doch ungemein kraftvolle Tönen der Gongs ein wenig Linderung, und sie trugen mich auf ihren langen Schwingen allmählich hinüber in das noch seltsamere Reich der Träume.
Nach einem ungezwungenen Frühstück am Morgen des vierten Tages versammelten wir uns in der Jurte zur gefürchteten Reflektionsrunde, und mir wurde recht schnell klar, dass ich mit meinen eigenen Gemütsbewegungen in der Nacht zuvor noch einigermaßen ungeschoren davon gekommen war.
Denn die Erlebnisberichte so mancher Teilnehmer waren derart erstaunlich und ergreifend, dass mir vor Mitleid beinahe die Tränen in die Augen traten.
Wiederum vermag ich mich nur schwerlich zu erinnern, um was es bei den jeweiligen Fällen ging, aber ich weiß noch, dass es bemerkenswert oft den Schmerz der Frau und ihre Misshandlung durch den Mann betraf.
Naturgemäß bezog sich dies auf intime, persönliche Erfahrungen, aber es kann keine Frage sein, dass diese Tendenz einer Dominanz des männlichen Prinzips über das weibliche sich leicht hin auf regionale wie auch globale Gesellschaftsprozesse übertragen lässt, die unsere Welt heimsuchen dieser Tage.
Immer geht es um Aktivität, nach außen zu treten und zu wirken – das wird besonders gerne gesehen -, um eine Zurschaustellung und Analyse, Separation und Zerteilung, um Konflikte. Wenn wir etwas untersuchen wollen, jagen wir es am liebsten in die Luft, wie man es in so einschlägigen Einrichtungen wie CERN oder der NASA tagtäglich beobachten kann.
Dies verschafft uns profunde Einsichten in die Funktionsweise und den Aufbau unserer Welt, beschert uns großartige Errungenschaften in Medizin und Wissenschaft allgemein, aber das kann notwendig und hinreichend immer nur die halbe Wahrheit sein, da wir immer nur eine Seite der Medaille unter die Lupe zu nehmen pflegen.
Passivität, Reflektion, Einkehr und Rückzug werden systematisch unter den Teppich unseres Bewusstseins gekehrt, denn sie sind weder produktiv noch lassen sie sich an der Börse gut verscherbeln.
Nicht auszudenken, wenn Menschen auf einmal anfingen, über die Konsequenzen ihres Tuns nachzudenken!
Das ist natürlich ein sehr vereinfachtes, drüber gepinseltes und zweifelsohne verzerrtes Abbild unserer Gesellschaft, aber ich finde, es lässt sich in der Tat schwer bezweifeln, dass hier ein eklatantes Ungleichgewicht herrscht und wir scheinbar weit ausgeschert sind von etwas, das man als „Goldene Mitte“ bezeichnen könnte.
Und doch. Es gibt erste, vorsichtige Anzeichen, dass sich hieran endlich etwas ändern könnte. Vielleicht erwachen wir tatsächlich langsam von unserem materiellen Albtraum eines atheistischen und amoralischen Überlebenskampfes.
Immerhin gibt es Bikram Yoga.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht