Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Vom Ungleichgewicht…
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In diesem Beitrag sind nur vereinzelt Bilder vorhanden und es werden keine Namen genannt aus Respekt vor der Privatsphäre eines jeden Piraten und Zauberers, einer jeden Hexe und Priesterin, die am Camp teilnahmen. Bilder sind zwar einfacher und oft treffender als Worte, doch an dieser Stelle reichen selbst diese bei weitem nicht aus, das Erlebte auch nur annähernd zu beschreiben.
(Anm. des Sammlers)
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Aber ich schweife ab. Interessant fand ich dabei allerdings die Anmerkung unseres weisen Schamanen, dass jener Schmerz über die Unterdrückung des weiblichen Prinzips in unserer Welt ganz vorzüglich durch das unglückliche Geschehnis am Tag zuvor verdeutlicht werde, als das Fell der Handtrommel, mithin Symbolträger des Feminen, zerrissen wurde durch die ekstatische, und sicherlich ungewollte, Hybris – eines Mannes.
Voilà. Diese Interpretation mag einigen vielleicht an den Hippie-Dreads herbeigezogen sein, doch birgt sie allzumal einiges Gewicht, da es wirklich passiert ist.
Und dies soll wiederum nur als Sinnbild und Beispiel gelten für die rätselhafte und zaubrische Art und Weise, wie sich einzelne Persönlichkeitsfäden in diesem unserem heldenhaften Kreis zu einem bunten und schillernden Gedankenteppich verwoben.
Wenn ich mich recht entsinne, erstaunte mich diese Tatsache bereits im letztjährigen Camp, doch tat diese Tatsache meiner neuerlichen Verwunderung und Staunen keinen Abbruch. Das nämlich war ganz und gar faszinierend, und ich bekam Gänsehaut.
Obwohl wir davor nicht miteinander darüber gesprochen hatten, spulten sich bei vielen der Teilnehmer dieselben, oben angedeuteten Themen ab, so als ob sich unsere Gehirne so hive-mäßig synchronisiert hätten. Das war gruslig, aber auch ein bisschen geil.
Mehr und mehr Erzählungen und Bruchstücke individuellen Erlebens fügten sich mit der Zeit zu einem Gesamtbild, einem exquisiten und furchtbaren Kunstwerk zusammen, ein Puzzle-Teil ums andere fand auf zaubrische Art und Weise seinen Platz, so dass ich mich fragen musste, wer denn der mysteriöse Spieler sein müsse, der da unerkannt und ungesehen die Fäden in der Hand und den Überblick behielt.
Ich glaube, die Antwort, die ich diesbezüglich im Verdacht habe, muss sich gleichfalls sonderbar, allumfassend und dementsprechend unbefriedigend ausnehmen: Keiner, und doch wir Alle, irgendwie und sowieso.
Und doch kam ich nicht umhin, im Angesicht derartiger Erfahrungen inmitten eines nebelhaften Gemisches aus grenzenloser Verblüffung, metaphysischer Vorsehung sowie einer seltsam diffusen, nicht näher bestimmbaren Vorfreude zu erschauern.
Das war wieder einmal ein einschneidendes, beseelendes und tiefschürfendes Erlebnis gewesen, keine Frage.
Nun hatten wir also den Schmerz vergangener oder auch neuerlicher Verletzungen von oder durch Mensch und Natur und die erneute Trauer darüber durch, aber keine irgendwie geartete Behandlung wäre vollständig und rund, wenn nach der Diagnose (oder Analyse aka männliches Prinzip) in der Konsequenz nicht auch die „Therapie“ (im Sinne von Synthese oder: Weiblichkeit) zum Zuge käme.
Keines ist wichtiger als das andere, keines kann ohne das andere bestehen; beide zusammen sind notwendig und erwünscht. Schazäm.
Und wie kann Connection besser passieren als in der Begegnung?
Ergo: Im Anschluss an eine Erholungspause, die ich offiziell zum Meditieren nutzte – eventuell unternahm ich auch nur den aufopferungsvollen Versuch einer rein körperlichen Dusche, veranstalteten wir eine Art Zwischenübung. Das kennt Ihr vielleicht: man setzt sich paarweise gegenüber und schaut sich einfach nur in die Augen. Keine Worte, nur das dahinter spricht.
Vor so etwas hatte ich mich ja lange gescheut, weil es mir dann doch zu sehr in ein schauderhaftes Reich des verklärten Pseudo-Esoterismus ging. Aber irgendwann einmal, ich sage Euch, werden auch die letzten Mauern und Vorurteile fallen!
Und das mit einem ordentlichen Getöse, nach außen hin jedoch vollkommen still, quasi sang- und klanglos. Nachdem ich meine anfängliche Abneigung überwunden hatte, blickte ich also für einige Minuten jeweils in mehrere funkelnde Augenpaare, und ja kruzifix! Ich konnte tatsächlich spüren, wie Dämme in mir brachen und Turmgestein fleißig purzelte.
Innen drin wurde ich ganz weich und musste regelrecht an mich halten, dass ich nicht hintenüber kippte und wie eine übervolle Wasserbombe zerpflatschte!
Ich sah Sterne. Die Gesichter vor mir verschwammen und flossen auseinander, die sich in der Folge jedoch neu zusammenfügten und ganz markant veränderten.
Ähnlich wie ein Embryo während seines Wachstums mehrere Stadien evolutionärer Entwicklung durchläuft, bevor er endlich, und Gott sei Dank!, einen ungefähren menschlichen Zug annimmt, schienen vor mir wie ein absurdes, geradezu morbides 3D-Kino unterschiedliche Antlitze menschlicher Vielfalt ineinander und auseinander zu morphen.
Wie auf einem venezianischen Maskenball, wenn man zuviel Schampus intus hat. Glaube ich, ich war noch nie auf einem, aber schließlich kenne ich sowas doch aus dem Fernsehen. – Ja, nein, der Vergleich zieht, davon bin ich überzeugt.
Ich sah Totenschädel und verzerrte Fratzen, die sich mit leuchtenden Engelsmienen und beinahe durchscheinenden, zerbrechlich elfenhaften Zügen abwechselten, und das alles in ein und demselben Gesicht! Ich sah meinen Schmerz in ihrem, und mir war, als sähen sie ihren Schmerz in meinem.
Ich sah Glück, Hoffnung, sehnsüchtige Erwartung, einen Hilferuf, grenzenlose Verwirrung, ich sah Trauer, Wut und Verzweiflung, alles in einem und doch wieder nicht.
Ich sah mich in ihnen, und sie sahen sich in mir.
Es war unbeschreiblich, und es hat mich mit Verlaub weggeblasen.
Spötter mögen sich über derartige Actions gut und gerne ins Hemd hrmpfen, aber ich sage hier und an dieser Stelle, unter Aufbringung all meiner Integrität und Wahrhaftigkeit: der Scheiß wirkt.
Puuuu-uff. Right. Was kommt als Nächstes?
Ach ja richtig, die olle und ehrwürdige Großmutter stand bereits im Windfang und wartete auf den Kuchen.
Zuerst mussten wir aber noch den Zeremonienplatz morphen und verändern, denn aus der Feuer- sollte ja wiederum eine Wasserzeremonie werden. Demgemäß wurde das Feuer gelöscht, mit Erde zugedeckt und oben drauf kam eine große Salatschüssel von IKEA, die wir andächtig und aufmerksam mit Wasser befüllten, drumherum Blumenschmuck und schöner Firlefanz.
Nach Einbruch der Nacht luden wir sie endlich in unsere Mitte, und abermals verteilten die Schamanen unter Tönen und Gesang die Heilige Oblate in Form eines bitteren Tranks unter ihren Jüngern und Madeln… fast wie in der Kirche.
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Bitte umblättern: Easy breezing…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht