Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: …And your journey…
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Die Landschaft war zumal bis unter den Gipfel entzückend, aber wen wundert das noch. Kleine Bauernhöfe mit ihren runden Tukul-Hütten und sanft ansteigende Terrassenfelder machten es sich auf einem Hochplateau am Fuße der Felsnadeln von Abune Yosef gemütlich wie in einem kleinen Paradies.
Schafe blökten, herdende Kinder weiter oben riefen ihren Eltern zu Hause etwas zu (Da galt es sicher nicht mir, denn die gefürchteten Reizwörter fehlten.) und verkaterte Hähne krähten viel zu spät. Oder vielleicht checken die das mit der äthiopischen Zeitrechnung auch nicht.
Dahinter boten sich der Weite sehnende Blicke über Lalibela hinweg auf seinen Hügeln und Tälern und bis tief ins amharische Bergland hinein, das sich im fahlen Dunst der angehenden Mittagshitze verlor und mit dem dampfenden Himmel verschmolz.
Schon wollte ich mich vom Ticket Office abwenden und zurück in den Ort wandern, da fuhr es mir jäh wie ein Blitz aus klarem Himmel in den Kopf: dass es doch laut meiner maps.me-Karte noch einen anderen Pfad auf den Berggipfel geben müsste! Der zudem an diesem vermaledeiten Holzverhau vorbei führte. Ha.
Sah zumindest so aus. Egal, das wird jetzt ausprobiert!
Kurzerhand und mit neuer Energie in den Wadln wandte ich mich also in die andere Richtung und näherte mich auf leisen Sohlen (naja) dem Kloster von der Rückseite.
Jenes befand sich nämlich, ähnlich wie Lalibela, auf einem schmalen, lang gezogenen Hügel, um den ich quasi einmal herum marschieren musste, quasi unter den Augen der Fleisch gewordenen Vertreter des Allmächtigen vorbei.
Hehehe, na das gefiel mir.
Denn auf diese Weise zahlte ich keinen lausigen Cent Eintritt. Im Ernst, für die lebensmüde Barracke wollten die umgerechnet zehn Euro kassieren! – Ich hab’ das Ding doch von oben gesehen! Pff. Ian meinte auch, das Ding kannst knicken.
Wie schön also, der Pfad führte bald durch Nadelgewächs, Wacholder und Eukalyptusbäume steil nach oben. Es duftete herrlich nach Bronchitis; oder vielmehr, was man sich dagegen halt auf die Brust schmiert. Im Gras zirpten ganz aufgeregt die Zikaden, um die eiserne Stille ein wenig zu entschärfen.
Am Ende des Wegs fand ich mich auf einem schmalen Sattel zwischen den zwei senkrechten Felspfeilern wieder, denen ich mich die ganze Zeit und auf Umwegen genähert hatte. Und jetzt?
Da schau her, ein paar Hirtenkinder zeigten mir eifrig den Weg nach oben. Mmhmm.
Schaun wir mal. Im Zickzackkurs kraxelten wir einen prekären Sims an der Felswand entlang und weiter nach oben; es machte einen Heidenspaß, solange man bloß nicht nach unten schaute.
Die Kids natürlich hopsten da hinauf wie übermütige junge Gemsen, während ich mich, zwar geschmeidig und elegant wie ein Leopard!, aber eher so in Gollum-Manier auf allen Vieren fortbewegte.
Auf der ersten „Bergspitze“, die in Wirklichkeit ein weitläufiges Plateau preisgab, konnte ich an seinem gegenüberliegenden Ende eine weitere Kirche erkennen.
Die Sicht von da oben war einfach sagenhaft! Rundherum weites Land, gefaltete Bergkämme und in ihrem Schoß grüne Adern des Lebens.
Und die Landebahn vom Lalibela Airport, herzallerliebst.
Vereinzelte Wolken loungten entspannt und in lockerem Verbund am Firmament und rahmten die Szenerie in einen weißblauen Schafsmantel, unter dem jedem gestandenen Bayern Tränen der Freude in sein Weißbier gelaufen wären.
Aaah! Was gäbe ich jetzt für eine Brezn und eine eiskühle, prickelnde Maß!
Lange konnten wir jedoch nicht verweilen, denn der örtliche Pfarrer oder Ministrant, womöglich bewaffnet, schrie den Kindern erbost entgegen, worauf sie mich eiligst von diesem entrückten Ort auf dem Dach der äthiopischen Welt herunter baten.
Diese Brut ist dort auch etwas eigen, wie ich mitbekommen habe. Die Burschen schließen auch gern mal vor Ladenschluss die Kirche zu und gehen nach Hause oder auf ein Feierabendbier, wenn sie keine Lust mehr haben, und lassen die armen Touris im spirituellen Regen stehen.
Also hinunter und wieder hinauf.
Der kleinere Zwillingsbruder der majestätischen Felszacken war fast vollständig mit Wacholderbüschen zugewachsen, aber ein schmaler Pfad führte auf die andere Seite mit zusätzlich ein paar Lücken im Gebüsch, die den Blick freigaben auf das Kloster, das sich nunmehr unter mir befand.
Ich hab’ Euch ja gesagt, dass ich das Ding von oben gesehen habe.
Bevor wir uns an den zweiten haarsträubenden Abstieg wagten, also ich, genoss ich noch ein paar Augenblicke vor diesem hinreißenden Panorama.
Danach bedankte ich mich mit einem strahlenden Lächeln bei den Kleinen, vielleicht auch, weil ich immer noch am Leben war, und gab ihnen ein paar Kekse und jedem fünf Birr für ihre Dienste.
Da wusste ich auch, warum und für was mir das Mädel morgens am Kiosk die Fünfzig retoure nur in 5-Birr-Scheinen rausgeben konnte!
Das war das erste Mal, dass ich überhaupt jemandem, und dazu noch mit Freude und ruhigem Gewissen, etwas geben wollte, und es machte mich darüber hinaus aufrichtig glücklich, dass es solcherlei Erfahrungen auch noch geben durfte.
Dabei hatten sie nicht einmal nach etwas gefragt, obwohl sie mir tatsächlich eine große Hilfe waren. Sprich, sie hatten sich das mehr als verdient.
Weil ganz ehrlich, ohne die hätt’ ich die Pfade da hinauf nicht einmal gesehen.
Auf dem Rückweg schlenderte ich noch an ein paar Felsengräbern vorbei, die da einfach so hindrapiert waren, und freute mich wie ein Schnitzel über dieses kleine Abenteuer, in schmunzelndem Gedenken an Huck Finn.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht