Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Hinter den Spiegeln…
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Dergestalt begann ich den dritten Tag in einer Haltung leicht zurückhaltender Aufmerksamkeit gegenüber der Welt. Und immer, wenn ein frecher Gedanke sich einschlich, grad wie die Hyänen in Harar: „Ha! Erwischt, schlüpfriges kleines Ego!“ – Schschwtt! Weg war es. Hahaaa! Geil.
Was für ein Tag. So war es mir nicht nur möglich, in Ruhe und Frieden einige weitere Sehenswürdigkeiten anzuschauen, nein, etwaige herumstreunende Kinder verstanden mich sogar, wenn ich ihnen langsam und schonend erklärte, dass ich lieber allein sein wollte, und zogen behäbig, still und leise wieder von dannen.
Enttäuscht und mit hängenden Köpfen zwar, aber wenigstens wurden sie nicht aufgestachelt und gehässig. Faszinierend, immerhin.
Und nicht nur das! Praktisch ohne mein Zutun wurden mir zwei Checkpunkte auf meiner Todo-Liste abgehakt, ungeplant und einfach so.
Erst traf ich einen schrulligen und sympathischen Lehrer, mit dem ich mich auf dem Weg zu Judit’s Stelenfeld nett unterhielt und der mich eifrig auf den Markt begleitete, um eine dieser traditionellen Kaffeekannen als Mitbringsel zu kaufen.
Wie gesagt, eigentlich war das gar nicht mein Plan gewesen, irgendwie kamen wir nur drauf, und dann bestand er darauf. Dank seiner Hilfe zahlte ich nur drei (local) statt acht Euro (ferenji price); check.
Und jetzt kommt das Schärfste! Auch als wir uns verabschiedeten, wollte er kein Geld haben oder mit mir nach Deutschland kommen, obschon er oftmals und sehnsüchtig sinnend das Wort „Gerrmmannyyyy…“ vor sich hin summte.
Das war in Äthiopien praktisch einzigartig: solche Momente kannst selbst bei einer Reisezeit von drei Monaten locker an einer Hand abzählen.
Angefacht durch diesen Erfolg, probierte ich es nach meiner Sightseeing-Runde noch einmal auf dem Markt, um traditionsgemäß für meinen Paten-Couseng das Fußballtrikot der heimischen Nationalmannschaft zu ergattern.
Ei, das war verflixt und (leidlich) zugenäht.
Entweder war die Farbe verblichen, der Schriftzug auf der Brust fehlte, die Größe stimmte nicht, in dem Wort „ETHOPIA“ fehlte das erste „I“ oder es sah allgemein einfach scheiße aus. – Schade, dabei waren die dort echt günstig.
Naja, Babylon wurde auch nicht an einem Tag erbaut; geh’ ich erstmal Kaffee trinken.
Kaum saß ich an der Straße auf einem Hocker und hielt das ersehnte Tässchen in Händen, kommt da ein junger Bursche daher und will mir Amethyste verkaufen. Ich wollte ihn schon brüsk verscheuchen! – aber dann hatte ich eine Eingebung:
„Neinnein, keine Steine, ich brauch’ ein Fußballtrikot, Mann!“
Meinte der: „Chigarilo!“, kein Problem, ich solle mich nur entspannen, er könne mit Sicherheit eines besorgen und mir just in den Laden liefern, in dem ich im weiteren Verlauf meinen Vergnügungen nachzugehen gedachte.
Im Kopfe überschlug ich kurz die möglichen Konsequenzen, nickte sie mental und emotional kurz ab und willigte ein. Sodann beschrieb ihm ausschweifend alle wesentlichen Details, die das Dress abkönnen musste und nannte meinen unmissverständlichen und unverbrüchlichen Maximalpreis.
Danach begab ich mich ins „No Name Café“ auf einen Makyiato, why not, zum People Watching, und zack!, eine halbe Stunde später stand er da mit einem Trikot am Start.
„Mmmmh, vielen lieben Dank, das ist echt nice, aber schau, da fehlt doch der Schriftzug, den ich brauche. Tut mir wirklich leid, dass Du deswegen jetzt durch die Stadt geeiert bist, aber-“
„NO problem!“ Und schon war er wieder im Bajaj und ab! in den Wirrnissen von Axums Innenstadt verschwunden.
Abermals fünfzehn Minuten später hielt ich ein blitzsauberes, passendes und mit allen Itsibitsies versehenes Fußballtrikot von Äthiopiens Nationalelf in Händen, kurzärmelig noch dazu. Check.
Selbstverständlich wollte er mehr haben als „vereinbart“ (Erinnert Euch, kein Deal ist in diesem Land wirklich ausgehandelt, als bis nicht auch der letzte Birr seinen Besitzer gewechselt hat.), aber ich blieb zumindest halbeisern und gab ihm ein anständiges Trinkgeld für seine durchaus beachtlichen und eindrucksvollen Mühen.
Irgendwie hatte ich bis zu dem Zeitpunkt immer noch nicht ganz geschnallt, dass er für mich soeben durch die ganze Stadt gebajajt war, nur um einen Fetzen Stoff aufzutreiben, der mir vielleicht in den Kram passen wollte:
„Ja, aber, der Kragen, also ich weiß nicht, und Magenta wäre ja schon eher meins, passt auch gut zur Jahreszeit, nicht wahr, also Zinnober… ist das nicht ein bisschen vulgär?… Hmmm… haaaa….“
Aber mei, wenn es einmal flutscht, dann flutscht es, wozu sich einen Kopf machen?
A propos. Selbst die Bajaj-Fahrt vom Stelen-Steinbruch zurück nach Axum erschien mir geraden Wegs verdächtig, weil viel zu einfach.
Innerlich hatte ich mich bereits auf einen erbarmungslosen Zweikampf vorbereitet und fühlte mich zudem in einer starken Verhandlungsposition; schließlich war ich körperlich noch fit und musste ja nicht unbedingt fahren. Die Dreiviertelstunde hätte ich auch gut zurückhiken können.
Da sagt dieser Arsch, dass die Fahrt gerade mal zwanzig Birr koste.
So ein Mist, so ein verfluchter! Das wollte ich doch sowieso zahlen!
Fassungslos und darüber hinaus maßlos enttäuscht stieg ich ein, sprach kein Wort mehr und klatschte ihm schnaubend das Geld in seine infamen Hände. Spielverderber.
Hoffentlich hat er mich wenigstens ein bisschen über’s Ohr gehauen.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht