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Denkmäler

Wenn es Dir aber allzu bunt wird und wirklich gar nichts anderes mehr hilft, gibt es nur noch eine Entscheidung zu tätigen: Angriff oder Flucht.
Da ich mich seit jeher dem Pazifismus verschrieben hatte, blieb in meinem Fall demnach nur letztere Wahlmöglichkeit über.

Entweder ich verschanzte mich schnaubend auf dem Balkon meines Guest Houses oder begab mich auf die Zinnen der beschaulichen Terrasse im oberen Stockwerk des Negeyo Café, ideal gelegen am Feres Magala mit seinem Denkmal der fünf Stadttore in der Mitte.

Markant

Es war der perfekte Ort, um gelassen und entspannt zu beobachten, wie das Leben passierte und unten an mir vorbeizog – und um heimlich Nahaufnahmen von skurrilen und markanten Persönlichkeiten zu machen.

Das ist gar nicht so einfach. Stundenlang wie ein Angler da oben zu sitzen und geduldig zu warten, um dann, im rechten Moment!, abzudrücken.
Das erfordert Disziplin, Mut und Entschlossenheit. Nur das kleinste Zögern, und die ein- oder zweimalige Chance ist vertan.

Cool

Die verwurzelten alten Herren zum Beispiel mit ihren coolen Sonnenbrillen erinnerten mich eher an knorrige, kubanische Sänger als an Bewohner des afrikanischen Kontinents. Beim Spiel der Kinder musste ich laut lachen, die sich einen Spaß daraus machten, sich hinten an die Ladeflächen von Pick-Ups oder LKW’s zu hängen, ohne dass es der Fahrer merkte.

Retro

Ich bestellte mir den vierten Espresso an jenem Tag, nicht, weil ich etwa das Bedürfnis danach hatte, sondern einfach, weil sie so scheißgünstig waren.
Dergestalt sah ich zu, wie die Rush Hour gemächlich an- und abebbte

…Das Ringelreihen der bajajs und Peugeot-Taxis in ihrem hip vergammelten Retro-Look um den Kreisverkehr wirkt wie eine Runde Faules Ei, bei der irgend etwas gewaltig schief gelaufen ist.

Fregatten

Schulkinder in grünen Uniformen und leuchtenden, orangenen oder gelben Oberteilen und Schleiern warten auf den Bus. Schwer bepackte Eselkarawanen pflügen wie Fregatten einer vergangenen Welt mitten durch den modernen Verkehr. Die Ambulanz legt eine kurze Pause ein für ein Stück Melone, denn es ist sauheiß da draußen.

Feilschen

Frauen in langen, wallenden Gewändern in allen nur erdenklichen Facetten und Schattierungen schweben anmutig über den Platz; es ist erstaunlich, was man alles auf dem Kopf balancieren kann.

Die Verkaufsverhandlungen der Damen direkt unter mir in diesem Epizentrum des Chat-Konsums (Angeblich kam die zunächst stark anregende Pflanze erstmals aus dem Yemen an die Gestade des Horns von Afrika.) können mitunter ziemlich ruppig werden, je nach Entzugssymptomatik der fiebernden Käufer…

Solcher Ort

…Überall und an jeder Straßenecke wurde eifrig gekaut; die grünen Überreste zierten die Straßen wie ein Teppich aus trauriger Notwendigkeit und vorgeschobener kultureller Verantwortung.
Eine Hochzeit durfte natürlich auch nicht fehlen.

Nach etwa drei Tagen kannte ich so ziemlich die Hälfte der Leute vom Sehen.
Es ist meine feste Überzeugung, dass es in jeder Stadt auf der Welt mindestens einen bis mehrere solcher Orte geben sollte.

Andacht

Wie lange hatte ich nach einer derartigen Kapelle der weltlichen Andacht gesucht! Wenn ich zurückreiche in meiner Erinnerung, so fallen mir auf Anhieb nur jene goldenen Augenblicke in dem hinreißenden Örtchen Katha im hohen Norden Myanmars ein, wo ich vor vier Jahren einen ähnlich bezaubernden Logenplatz im Open Air Ciné Verité gefunden hatte.

Dafür, allein dafür hatte sich die lange und anstrengende Fahrt nach Harar im fernen Osten Äthiopiens bereits gelohnt!
Nur die Sache mit dem Dinner checkte ich nicht so ganz, denn viele Restaurants hatten am Abend zu oder verkauften nur leichte Snacks.

Friedhof

Diese Tatsache erwischte mich zu Beginn wohl auf dem falschen Fuß, und in der schieren Not verfiel ich auf die zweifelhafte Idee, eine Tafel Schokolade zu kaufen, die wie zu erwarten nach abgestandener Pappe schmeckte. Mit dieser faulen Taktik hatte ich im Sinn, den berechtigen Aufruhr meiner Magensäfte etwas zu beschwichtigen, aber die sind ja auch nicht blöd.

Jugol

Zwischen jenen meditativ verquollenen Stunden fand ich jedoch – nach einigem Suchen – doch noch Gelegenheit, den etwas versteckten Friedhof der St. Michaelskirche, etwas außerhalb von Jugol, unter die Lupe zu nehmen. Nicht wegen den Gräbern an sich, sondern weil man von dort einen netten Blick auf die Altstadt hatte, die sich in einen Hügel zwischen zwei Gebirgsausläufern schmiegte.

Die Leute da draußen schienen um einiges entspannter und ihre Köpfe weniger touristenverseucht zu sein als die Spießgesellen hinter den alten Stadtmauern. In einer gemütlichen Straßenklitsche lud mich einer sogar auf zwei Kaffee ein und bot mir an, mich auf seinem Moped durch die Stadt zu cruisen.
Ich lehnte dankend und ehrerbietig ab, und er war es dann auch zufrieden.

Shoa-Markt

Ja, man könnte Harar durchaus als touristisch bezeichnen, wobei ich in diesem Falle von etwa zehn Bleichgesichtern ausgehen würde und nicht wie anderswo von fünfzig bis hunderten. Aber am Ende entscheidet stets das unfehlbare Nutella-Barometer.

Einer der eindrücklichsten und geheimsten Winkel war jedoch der Gewürzmarkt am Shoa-Gate, zu dem mich zwei hervorragende und ergebenst dienliche Herren entführten, damit ich für meine lieben Connoisseure daheim (wie auch für mich selbst) duftende Pülverchen sowie den berühmten Harar-Kaffee erstehen konnte, der zu den besten des Landes zählt.

Herunterschalten

Aber das behauptet wahrscheinlich jede Region von sich selbst, wir werden sehen. Dort jedenfalls war er in der Tat verdammt lecker.
Den Rest meiner Tage verbrachte ich mich Lesen, tiefer innerer Schau und, so mich die Mysterien der schwerlich einzufangenden Muse küssten, mit der schweißtreibenden Produktion dessen, was Ihr hier vor Euch seht.

Luft holen

Vor allem am heiligen Sonntag ließ ich es gänzlich geruhsam angehen und bewegte mich so wenig wie möglich; war stattdessen ganz bei mir. Auch das sonst so lärmende, aufgescheuchte und aufgebrachte Jugol schien einen Gang heruntergeschalten zu haben.

Ja, sogar die blärenden und haltlos übersteuerten Soundanlagen der dreirädrigen Götterboten schienen seltsam gedämpft, beinahe ehrfurchtsvoll und bescheiden durch die Gassen zu wummern.

Sinnen

Die Welt schien einmal tief Luft zu holen, der Schlüssel zur beschleunigten Vereinigung mit dem Einen oder Geliebten, wie es die persischen Sufi-Poeten ausdrückten. So spricht Paramahamsa Yogananda.
Bis auf die Muezzine, die kannten und kennen nur Vollgas: „AllAAaah-HU AKBAR…!!!“

Es ist genau dieser sympathische Wechsel aus entspannter Aktivität und konzentriert sinnender Schau, die für mich mittlerweile zum Inbegriff des Reisens geworden ist.
So will ich es haben, so soll es sein.

Spiel

Geschafft

Feres Magala

Balance

Entzug

Epizentrum

School’s out

Pause

Schnauben

Götterboten

Sonntag

Eindrücklich

Gewänder

Heimlich

Schweben

Heiliger Michael

Pulver & Korn

 

 

 

 

 

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