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Alptraum

Im Allgemeinen präsentierte das Zentrum von Lusaka weniger die schillernde Hauptstadt des Landes als vielmehr wie eine verstörende Mischung aus provinzieller Kleinstadt sowie kommunistischem Plattenbau-Alptraum, garniert mit einem überaus pittoresken Kühlturm.

Doch die mehr oder weniger neu gebauten Shopping Malls gaukeln dem Besucher einen Fortschritt vor, der seinesgleichen sucht. Laut meinem Reiseführer waren sie die größte „Attraktion“ der Stadt. Dabei verdrehte ich meine Augen und musste aufpassen, dass ich mich vor neuerlichem Brechreiz nicht schon wieder vornüber beugte.

Mittelklasse

Die „Arcades“ waren mindestens zweimal so groß wie das Flughafen-Terminal und verdammten das Olympia-Einkaufszentrum in München zu einem aufgematschelten, aber hoffnungslos veralteten Tante-Emma-Laden, einer Matrone, aus deren Antlitz die Schminke wie Putz von den Wänden bröckelt.

Nur wenige Häuserblocks entfernt änderte sich das Bild jedoch schlagartig.
Von sich türmenden Bank- und maroden Staatsgebäuden mit einer Subway-Filiale drunter und ähnlich modernem Krimskrams in der Cairo Road strandete ich innerhalb weniger Gehminuten vor den etwas einfacheren Läden und oben beschriebenen Verkaufsständen der, ich würde sagen, „Mittelklasse“.

Ein paar Schritte

Nach ein paar weiteren Schritten fand ich mich plötzlich in einem entsetzlichen Slum aus morschen Holz- und Wellblechhütten wieder, mit zerrissenen Plastikplanen und ich fragte mich, wo zur Hölle das Wurmloch gewesen war, durch das ich eben gerauscht sein musste.

Passender Vergleich: Wie ein Schwarzes Loch schien die schwere Dunkelheit jener Gänge zwischen den dicht an dicht gedrängten Behausungen, die selbst kaum nur Entwürfe von Provisorien darstellen konnten, sogar das Sonnenlicht aufzusaugen.
Das war der Moment mit dem harten, kalten Kloß im Hals.

Schwarzes Loch

Ein kleiner Schritt für mich, ein unüberwindlicher aber für so viele Afrikaner.
Aber auch ich musste vorsichtig umgehen, da auf den dortigen, nun, sagen wir Gehsteigen ein Hans-guck-in-die-Luft in etwa die Lebenserwartung einer Virtual-Reality-Brille, die eine Schlucht hinab stürzt.

Kein Scheiß, im Verlaufe eines Spaziergangs fiel ich tatsächlich in ein Loch, das sich unversehens und jäh vor mir auftat. Das war eigentlich lustig, denn innerhalb von Sekundenbruchteilen war ich kleiner noch als meine wahrhaft winzige Begleitung.

Zu meiner Verteidigung darf ich anführen, dass es draußen bereits dunkel war und wir uns praktisch mitten in einer aufregenden Unterhaltung befanden. – Multitasking kann manchmal Leben retten.
(Für meine Oma: Das ist mir selbstverständlich NICHT passiert, sondern, ich habe den Zug genommen.)

Nachbarschaften

Ein derart krasser Gegensatz in den Lebensverhältnissen, noch dazu in der unmittelbaren Nachbarschaft, sät wohl eine profunde Angst unter den Reichen. Als ich eines Tags durch eines der wohlhabenderen Viertel schlenderte, konnte ich zwei allerhöchstens fünfjährige Burschen dabei beobachten, wie sie ihrem Papa bei der Gartenarbeit für ein Anwesens halfen.

Es war rundherum mit einer hohen Mauer umgeben, deren Oberkante mit Stacheldraht und großzügigen Glassplittern verziert worden war. Das dortige College erinnerte eher an ein umgekehrtes Gefängnis als an eine Bildungseinrichtung.

Hmpf

Wohlan. Das sei nun ein kleiner Einblick in das Lusaka meiner Welt gewesen.
Und ich? – Ich finde es -Gott sei Dank- immer wieder erstaunlich und geradezu berauschend, wie schnell und nonchalant sich scheinbare Störfaktoren und Hindernisse in ganz hervorragende Sprungbretter verwandeln können.

Dazu ein Beispiel:
Eigentlich wollte ich Lusaka am Samstag bereits verlassen, denn im Shopping Mall war ich ja schon. Der nächste Bus, der nicht ausgebucht war, fuhr aber erst am Montag. „Hmpf! Zwei wertvolle Tage in den Wind geschossen“, dachte ich mir missmutig.

Immer und überall

JA von wegen! Wäre ich nämlich an jenem Samstag abgedampft, hätte ich weder diesen entzückenden Abend in den Townships erleben dürfen noch hätte ich am Ende Mukanta kennen gelernt:

Wir saßen eben an der Hostel-Bar und glotzten das Spiel Sambia gegen Norwegen, auf jedem Fernseher in Sambia läuft immer und überall Fußball, als jener Herr mich an seinen Tisch winkte. Bei ihm handelte es sich um einen Staatsbeamten im höheren Dienst, der uuunbedingt mit mir über Politik quatschen wollte.

Verantwortung

Ich erinnerte mich meiner kulturellen Verantwortung und wandte mich widerwillig und ein wenig von Trauer erfüllt von dem Match abwandte. Wie sich aber herausstellen sollte, war das eine durchaus gelungene Entscheidung, denn der war ein urlustiger Kerl und eine scheppernde Quasselstrippe, dass der Sau graust.

Später kamen noch zwei Richter dazu, das waren Homies von Mukanta.
Stellt Euch das vor. Ich, ein verklärter Post-Hippie in verwaschenen Funktionsklamotten, besoff mich hemmungslos mit drei durchaus gewichtigen Persönlichkeiten der lokalen Öffentlichkeit, während wir übers Angeln und die geistigen Vorzüge von Lagerfeuern philosophierten. …Dabei KANN ich nicht mal angeln! Unbezahlbar.

Antenne

Nun begab es sich aber, dass jener Gönner zufällig genau jener Region entstammte, in die ich zuufällig unterwegs sein wollte. Demgemäß versorgte er mich mit einer wahren Flut aus Namen und Telefonnummern von Leuten, die er dort kannte und an die mich in jeder Lebenslage bis zum sicheren Tode wenden könnte.

Das Verblüffende, das Erregende jedes Zufalls besteht darin, dass wir unser eigenes Gesicht erkennen; der Zufall zeigt mir, wofür ich zurzeit ein Auge habe, und ich höre, wofür ich eine Antenne habe. (…) Natürlich lässt sich denken, (…) dass es noch manche Zufälle gäbe, die wir übersehen und überhören, obschon sie zu uns gehören; aber wir erleben keine, die nicht zu uns gehören. Am Ende ist es immer das Fällige, was uns zufällt.“
(Max Frisch; Oder auch hier.)

Dilemma

Ich hatte mir eh schon den Kopf darüber zerbrochen, wie ich die Wasserfälle, die angeblich „wunderschönen Juwelen“ im Nordosten von Sambia erreichen sollte, denn die touristische Infrastruktur steckte definitiv noch in den Kinderschuhen beziehungsweise, war noch irgendwo im Geburtskanal unterwegs.

Sprich, ohne eigenes Auto musste ich einiges dort leider verpassen.
Und schwupps, hielt ich aus heiterem Himmel den Zündschlüssel zu diesem heiklen Dilemma in Händen. Halleluja! Herzlichen Dank, Mukanta.

Versteht Ihr jetzt, was ich mit „Sprungbrett“ meinte?
Es sind diese kleinen, unsichtbaren oder gar in Missgestalt verkleideten Türchen, die sich oft so unverhofft auftun und dazu noch einen zauberhaften, neuen Ausblick bescheren.

Sie sind für mich eines der schlagendsten Argumente, die jene saloppe, spontane und, ja, manches Mal etwas hansguckige Art des Backpackens zu einer derart wertvollen und beglückenden Erfahrung werden lassen können.
In diesem Sinne: Auf ins Herz von Afrika!

Auto

Stände

Shopping

Attraktion

Entwürfe

Pittoresk

Cairo Road

Modern

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